Immer mehr Menschen wünschen sich für ihre letzte Ruhe ein möglichst pflegefreies Grab. Aus Birkach und Plieningen kommt nun der Vorstoß, Urnenwände auf den Friedhöfen einzurichten. Ähnliche Ideen gibt es für Degerloch.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Filder - Immer mehr Birkacher und Plieninger wollen anders begraben werden. War die Erdbestattung im Sarg früher Standard, hat die letzte Ruhe in der Urne statistisch gesehen längst aufgeholt. Es sieht allerdings so aus, als ginge der Trend auf den Friedhöfen in eine andere Richtung: zu Urnenwänden oder -feldern.

 

Diesen sich wandelnden Wünschen in der Bestattungskultur trägt ein Antrag der Plieninger CDU Rechnung. Die Fraktion im Bezirksbeirat bittet die Stadtverwaltung, auf dem Friedhof in Plieningen ebensolche Möglichkeiten für Verstorbene und deren Angehörige anzubieten. „Auch in der Plieninger Bürgerschaft wächst der Bedarf an Bestattungsformen, die kostengünstiger und mit weniger Pflegeaufwand verbunden sind“, heißt es in der Begründung. Der CDU-Antrag ist nicht nur einstimmig angenommen worden, die Birkacher Lokalpolitiker haben sich dem Wunsch spontan angeschlossen.

Den Kindern nicht zur Last fallen

In Zeiten, in denen mehrere Generationen einer Familie nicht unter einem Dach und oftmals nicht mal in derselben Stadt leben, bedeutet ein herkömmliches Grab vor allem eines: Aufwand. „Man will seinen Kindern nicht zur Last fallen, auch wenn man gestorben ist“, sagt Hans-Peter Ziehmann, der evangelische Pfarrer in Plieningen. Die Idee, dass es auf seinem Friedhof künftig Urnenwände, auch Kolumbarien genannt, geben könnte, gefällt ihm. „Mit dem Thema gehe ich schon länger um“, sagt Ziehmann. Der Vorstoß nun für den Wandel auf dem Friedhof stamme jedoch aus der Politik und nicht aus dem Pfarrhaus.

Für die Birkacher Pfarrerin Ursula Wilhelm kommt die Initiative überraschend, hatten sich die Birkacher Fraktionen bei der Sitzung Anfang der Woche doch überraschend in die Forderung eingeklinkt. Aber Wilhelm zeigt sich sofort aufgeschlossen: „Ich fände ein Kolumbarium für Birkach ein sehr sinnvolles Angebot“, sagt sie. „Da Birkach ja auch ein Altenheim hat und dort Menschen über viele Jahre leben und sich in Birkach auch zu Hause fühlen, die Kinder aber oft weit weg wohnen, kann bei ihnen schon die Frage auftauchen: Wo will ich mich bestatten lassen?“

Eine Frau, die tagtäglich mit den veränderten Wünschen für die letzte Ruhe konfrontiert wird, ist Andrea Haller vom gleichnamigen Bestattungshaus mit Hauptsitz in Degerloch. „Es geht vor allem ums Grab ohne Pflege“, berichtet sie aus ihrem Alltag. „Deshalb wachsen Kolumbarien und Baumgräber in ganz Deutschland massiv“, sagt sie. Von den Bestattungskosten her „sind die Unterschiede nicht mehr so radikal“ (siehe Text ganz hinten).

Solche Wünsche kommen regelmäßig

In der Stadt Stuttgart gibt es Urnenwände bisher nur auf dem Pragfriedhof. Die Katholische Kirche plant ein Kolumbarium bekanntlich derzeit für Degerloch. Die Stadt erreichen aus den Bezirken regelmäßig Wünsche nach Kolumbarien wie jüngst aus Birkach und Plieningen, sagt Hagen Dilling, der stellvertretende Leiter des Friedhofsamts. Ob er erfüllt werden kann, will und kann er noch nicht abschätzen.

Im Jahr 2013 hatte der Gemeinderat die Verwaltung beauftragt, sich verstärkt mit alternativen Bestattungsformen zu befassen. Dies sei auch geschehen, sagt Dilling. Gewünscht seien in erster Linie „pflegefreie Gräber“, sagt er. In diesem Zusammenhang würden die Stuttgarter Friedhöfe sukzessive mit Rasen-, Baum- und Gemeinschaftsgräbern bestückt. Und da es von diesen Ruhestätten immer mehr gebe, „sieht die Verwaltung keine Notwendigkeit“ für Urnenwände. „Sie werden von der Verwaltung durchaus auch kritisch gesehen“, sagt Dilling. Weil sie optisch teils nicht zu den Friedhöfen passen würden. Zudem würden sie eine nicht unerhebliche Investition bedeuten. Und letztlich geht es nicht nur um Wünsche, sondern ebenfalls ums Geld. Wie so oft im Leben – oder eben auch danach.

Hintergründiges:

Der Begriff Kolumbarium leitet sich vom lateinischen „columba“, Taube, ab. Kolumbarium meint ursprünglich einen Taubenschlag. Weil sie ähnlich aussahen, bezeichneten die alten Römer ihre Grabkammern als Kolumbarien. In neuerer Zeit sind die Nischen in aller Regel oberirdisch.

In Stuttgart gibt es bislang nur (seit 1907) auf dem Pragfriedhof solche Urnenwände. Dieses Kolumbarium bietet 962 Urnenplätze. Die Nischen sind sehr begehrt. Weitere Kolumbarien plant die Stadt Stuttgart derzeit nicht, sie setzt eher auf Rasen-, Baum- und Gemeinschaftsgräber.

Liegt der Preis für ein herkömmliches Urnengrab bei 700 (Reihengrab) bis 1740 Euro (Wahlgrab) für 20 Jahre, kostet ein Erdgrab 940 (Reihengrab) bis 1960 Euro (Wahlgrab) für 20 Jahre. Für eine Nische im Kolumbarium wiederum fallen 2280 Euro an – ebenso wie für ein Baumgrab und ein Rasengrab