In unserer auf Effizienz gebürsteten Leistungsgesellschaft sollte man sich ruhig mal etwas Laisser-faire erlauben. Unsere Kolumnistin will Nachlässigkeit üben.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Eine Freundin hat mir dieser Tage ein intimes Geheimnis gestanden. Wir kennen uns wirklich schon lange. Wir wissen fast alles und jedes voneinander. Aber da hat mich dann doch der Schlag getroffen: Sie bügelt ihre T-Shirts im Winter nur um den Hals herum. Das sei völlig ausreichend. Sie würde ja ohnehin einen Pullover drüberziehen.

 

Ich war natürlich empört. Sie könne doch nicht mit einem knittrigen Shirt herumlaufen. So viel Anstand und Würde müsse schon sein. Ich bügle selbstverständlich alles. T-Shirts, Unterhemden, Servietten. Geschirrtücher sogar auf der Vorder- und Rückseite. Und auch wenn jetzt alle lachen: ich bügle manchmal sogar Unterhosen. Und zwar gern.

„Du spinnst doch“, sagt die Freundin. Ich sei zwanghaft. Perfektionistisch. Hyperaktiv. Menschen wie ich seien schuld daran, dass die heutige Welt so unangenehm leistungsorientiert und materialistisch sei. Ich würde blind dem „Vitalitätsdiktat“ gehorchen. Und einen „gefährlichen Effizienzmodus“ propagieren.

Kurz: ich habe mit meinen Unterhosen das Zeitalter des Burn-outs herbeigebügelt.

Man sollte mehr Faulheit ins Leben integrieren

Deshalb habe ich mir vorgenommen, das zu ändern und mehr Faulheit in meinen Alltag zu integrieren. Ich könnte zum Beispiel mal den Dreck unter die Fußmatte fegen. Oder wie eine andere Freundin samstags im Schlafanzug zum Bäcker gehen. Damit das nicht auffällt, zieht sie Rock, Kostümjacke und Pumps drüber – und trägt riesengroße Ohrringe. „Die sind entscheidend“, sagt sie, „dann schauen die Leute nicht an einem runter.“

Als mein Fahrrad kürzlich zu wenig Luft im Reifen hatte, habe ich entschieden: Nein! Diesmal lasse ich mal fünfe gerade sein und steige nicht wieder die vielen Treppen hoch, um die Luftpumpe zu holen. Diesmal schufte ich mir nicht wieder im gefährlichen Effizienzmodus den Bizeps schlaff, sondern fahre einfach mal so. Mit ohne Luft im Reifen.

Frage: Warum haben Fische Schuppen? Damit sie ihre kaputten Fahrräder unterstellen können.

Nach ein paar Wochen war mein Fahrradreifen dann ruiniert. Worauf ich sehr stolz bin. Jetzt ist nämlich endgültig Schluss mit Effizienzmodus und Vitalitätsdiktat. Der Schlauch ist hinüber. Die Felge ist verbeult. Und die Bremsen sind schief abgefahren. Weshalb ich jetzt stinkend faul und mit bestem Gewissen durch die Gegend fahren kann – im Auto.