Ein neues Netzgespenst macht die Runde: Teenies senden mit Younow live aus dem Kinderzimmer. Das eigentliche Web-Phänomen ist aber die Reaktion der versammelten Medienwelt.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Facebook ist out, zumindest bei der Jugend. Wo treiben sich Teenies nach dem Nachmittagsunterricht stattdessen rum? Bei WhatsApp, klar, auch Snapchat mag der eine oder andere schon mal gehört haben. Der neueste Schrei aber nennt sich Younow, und davon hat man entweder gar nicht gehört oder aber auf zweierlei Wegen.

 

Erstens und unwahrscheinlicher: Kinder oder Jugendliche haben einem davon erzählt, wie sie damit live aus ihrem Kinderzimmer streamen. Zweitens und wahrscheinlicher: Man hat einen der vielen Texte gelesen, mit denen dieser Tage so ziemlich jedes deutsche Medium vor Younow warnt.

Wie Younow funktioniert

Younow funktioniert so: man kann sich damit selbst filmen und das Ganze live ins Netz übertragen. Jeder kann zuschauen und im Chat kommentieren. Man kann jeden Kanal bewerten oder empfehlen, und natürlich werden Zuschauer und Fans live mitgezählt. Gewalt, Sex, Schimpfwörter und ähnliches sind verboten, das Weitergeben von Kontaktinformationen und Unter-13-Jährige auch. Die Firma wurde 2011 in New York gegründet, sie hat 100.000 sendende Nutzer am Tag und mehr als 100 Millionen Zuschauer im Monat, in Deutschland ist Younow seit Weihnachten angesagt.

Weil die beliebtesten deutschen Livestreams aktuell vornehmlich aus den Kinderzimmern dieser Republik berichten, müssen unter den Zuschauern eine ganze Menge Pädophile sein, vermuten mehrere deutschsprachige Medien. „Wie gefährlich ist YouNow?“, fragt etwa n-tv. Die Antwort ist wenig überraschend. Es lauern Pädophile, außerdem wird ein Anwalt zitiert, der vor abmahnfähigen Verletzungen des „Rechts am Bild“ warnt und darauf hinweist, dass etwaig im Hintergrund laufende Musik gemapflichtig sei.

„Pädophile lieben diese App“

Der „SWR“ erkennt „eine neue Stufe des digitalen Entblößens“; der „Stern“ titelt: „Pädophile lieben diese App“; die „Computer Bild“ sieht „Brisante Live-Filmchen aus dem Kinderzimmer“. Und so weiter. Nicht nur die (keineswegs wegzudiskutierende) Like-Seligkeit des Nachwuchses wird inzwischen für gegeben genommen. Auch die warnenden Berichte werden formuliert, ehe sich auch nur ein Teenie vor der Younow-Kamera entblößt hat. Fehlt eigentlich nur noch, dass sich ein besorgter Datenschützer zu Wort meldet.

Realitätscheck: Wer einmal bei Younow reinschaut, findet dort Selbst- oder Gruppen-„Gespräche“, die keinen Nutzer jenseits des Teenie-Alters ernsthaft interessieren. Man mag das Online-Verhalten der Jugend von heute nicht mehr durchschauen; in den Kinderzimmern geht’s zumindest laut Younow so langweilig zu wie eh und je.

Die „Welt“ kann dem Younow sogar etwas Positives abgewinnen: sie findet, es würde auch Erwachsenen mal guttun, sich einfach mal „leer reden zu dürfen“.