Zurzeit weiß man ja wieder nicht, wohin mit den Augen. Überall sprießt und blüht es. Barbara Bross-Winkler stellt dieses Mal die Blutpflaume vor.

Zurzeit weiß man ja wieder nicht, wohin mit den Augen. Überall sprießt und blüht es. Unser Garten ist, am Waldrand gelegen, immer ein bisschen später dran. Es blühen noch Krokusse, Schlüsselblümchen und diverse prächtige Lenzrosen. Blühende Sträucher gibt es noch nicht und blühende Obstbäume, fürchte ich, kann es nicht geben, weil mein Mann im Verbund mit dem Sohn kürzlich ein Kettensägenmassaker am Apfel- und Zwetschgenbaum angerichtet hat.

 

Umso aufmerksamer habe ich gelauscht, als kürzlich eine Kollegin davon sprach, sie werde jetzt eine von den toll blühenden „Persischen Pflaumen“ fotografieren. Persische Pflaume? Nie gehört. Man nennt sie auch Türkenkirsche oder Blutpflaume, hat die Kollegin berichtet. Natürlich kenne ich die Blutpflaume. Hab sie auch schon gegessen. Ich weiß ja nicht, wie das bei Ihnen ist, aber bei mir gibt es Stichworte, die mich aufmerken lassen. „Persisch“ oder „Iran“ gehören seit einigen Jahren dazu. Das liegt nur zum Teil daran, dass mir irgendwann aufgefallen ist, dass alle Iraner, die ich kenne (drei), großartig aussehen, großartig Volleyball spielen und sehr charmant sind. Die Iranerinnen dagegen beschäftigen sich mit Physik, Elektrotechnik oder wenigstens Informatik. Ich verstumme da immer vor Ehrfurcht.

Irgendwann will ich dieses Land und seine wundervollen Gärten besuchen. In diesem Zusammenhang interessiert es Sie vielleicht auch zu hören, dass unser Wort „Paradies“ vom altiranischen Wort „Paradaidha“ abstammt und dass der „Majdan“, von dem wir gerade so oft in Berichten über die Ukraine gehört haben, im Iran einen öffentlichen Garten oder Park bezeichnet. Bestimmt wachsen dort auch Blutpflaumen. Fest steht, dass die Prunus-Mutation Prunus cerasifera „Pissardii“ vor 1880 im Garten des persischen Schahs gefunden wurde und zwar von seinem Gärtner, einem gewissen Monsieur Pissard. Der brachte diese dunkellaubige Sorte nach Frankreich, von wo aus sie ihren Siegeszug durch Europa antrat. Sie ist verwirrenderweise manchmal auch unter dem Synonym „Atropurpurea“ zu finden. Blutpflaumen sind also die rotlaubigen Sorten der Kirschpflaumen (Prunus cerasifera). Die Farbvariante entsteht, weil wegen eines genetisch bedingten Enzymmangels die purpurfarbenen Anthocyane in der obersten Blattschicht nicht abgebaut werden. Auch andere Gehölze, wie Blutahorn oder Blutbuche haben diesen Enzymdefekt, der so schöne Akzente setzt. Die Blutpflaume wächst, je nach Sorte (etwa Hessei, Woodii, Trailblazer/Hollywood), als Strauch oder kleiner bis mittelhoher Baum, der höchstens 15 Meter hoch wird. Blut- und Kirschpflaumen sind echte Frühlingsboten und blühen noch vor den Schlehen.Die Blüten entfalten sich gleichzeitig mit den Blättern oder sogar etwas davor und sind entweder weiß mit rosafarbenen Staubgefäßen oder ganz rosa. Immer aber sind sie von unglaublich anmutiger Schönheit.

Essen können Sie die Früchte beider Pflanzen, egal, ob sie nun rot oder gelb sind. Allerdings haben die Bäumchen oft Dornen, sodass man bei der Ernte aufpassen muss. Was mir neben Farbe und Essbarkeit der Früchte gut gefällt ist, dass Blutpflaumen alle Böden tolerieren, halbschattig stehen können, absolut frosthart sind und auch Stadtklima, Wind und Nässe gut wegstecken.

Möglicherweise überrascht es Sie ja genau so wie mich, dass zur Gattung der Prunus, die wiederum zur Familie der Rosengewächse gehört, mehr als 200 Arten von Sträuchern und Bäumen gehören. Das sind dann beispielsweise Aprikosen, Steinweichseln und Vogelkirschen, Pfirsiche, Mandeln und Schlehen, aber auch die Trauben- und Lorbeerkirschen. Sogar die Früchte der beiden Letzteren kann man essen, allerdings nicht den Kern, der im Magen Blausäure freisetzt! Die Türken jedenfalls kultivieren die Lorbeerkirsche auch wegen der Früchte.

Wahrscheinlich werde ich dereinst auf meiner Iran-Reise Lorbeerkirschen verdrücken und tolle Gartenthemen mitbringen. Ein paar Farsi-Vokabeln habe ich schon intus und habe sie neulich an einem iranischen Taxifahrer ausprobiert. „Jek, do, seh, hale to chetoreh, duset daram, sib, zard alu“ – „eins, zwei, drei, wie geht es dir, ich liebe dich, Apfel, Aprikose!“, habe ich ihm entgegengeflötet. Er war recht angetan von der Vielfalt meiner Kenntnisse. Und Sie wissen jetzt ebenfalls, in welche Familie die Aprikose oder „gelbe Pflaume“, wie der Iraner sagt, gehört!