Aufgelesen im Kreis: Süßes und Saures. Diese Woche haben Frauen jede Menge Power – vom herausragenden Modell bis zur durchreisenden Arbeitsministerin. Und der OB muss sich in der Bahnhofstraße mal wieder die ewige Leier anhören.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Der Weg ist für Daniela Wolking das Ziel. Die Böblingerin konnte zwar bei der jüngsten Staffel von Germanys Next Topmodell nicht Schritt halten, dafür überragte sie nun den Mercaden Stadtlauf. Das ist eine Kombination aus Jogging und Werbung fürs Shopping und insofern der passende Ort für ein Mannequin. „Die Karriere geht nach oben“, sagte sie dort. Ihren 100. Platz hat sie damit jedoch nicht gemeint. Die 22-Jährige ist durch die Bezeichnung Flaniermeile wohl etwas auf die falsche Bahn geraten. Damit die Bahnhofstraße seit ihrem Umbau zur Fußgängerzone wenigstens einmal von Fußgängern bevölkert ist, wurde der Start des Stadtlaufs ja extra dorthin verlegt. Auf dem neuen Mercaden-Laufsteg wollte sich Daniela Wolking dann natürlich nicht total verausgaben. Sie reüssierte gerade erst bei der Berliner Fashion Week. Im Herbst hebt sie zu einem Höhenflug an – nach Istanbul.

 

Karrierefrauen auf der Durchreise

Immerhin ist Böblingen für Karrierefrauen eine Durchreise wert. Am Montag trat Andrea Nahles in die Fußstapfen des Fotomodells. Die Bundesarbeitsministerin reicht allerdings nicht an die Größe von Daniela Wolking heran: Sie ist genau 20 Zentimeter kürzer und ihre Füße sind zwei Nummern zu klein (40 statt 42). Dennoch hat sich auch die SPDlerin ihren Weg nach oben bahnen können. Im IBM-Labor in Böblingen wurde sie trotz ihrer Unzulänglichkeiten von Martina Koederitz empfangen. Die Vorsitzende der Geschäftsführung der IBM Deutschland (rund 20 000 Mitarbeiter) hat im Gegensatz zu ihren Vorgängerinnen in dieser Kolumne die beachtlichste Leistung vollbracht: Ihre Maße sind während ihres Aufstiegs nicht groß herausgekommen. Vermutlich weil es an der Spitze einsam wird, stellte sie der Behördenchefin (1200 Mitarbeiter) die Suchmaschine Watson vor, mit der man (und frau) richtig reden kann. Hinterher konnte dann der SPD-Landtagsabgeordnete Florian Wahl (drei Mitarbeiter) seinen Mund wieder nicht halten: „Mit ihrem Besuch würdigt die Bundesarbeitsministerin die wirtschaftliche Stärke unseres Kreises und die Vorreiterfunktion unserer Unternehmen in der digitalisierten Arbeitswelt“, meldete er.

Die ewige Leier von der fehlenden Innenstadt

Für Wolfgang Lützner muss dieses Streben nach Höherem schrecklich klingen. Böblingens Oberbürgermeister kommt nämlich einfach nicht vom Fleck. Beim Stadtlauf ist er nicht gestartet, er war am Tag zuvor als „OB vor Ort“ in der Bahnhofstraße. Dort musste er sich wieder die ewige Leier von leer stehenden Läden, verwahrlosten Einkaufszentren und einem vereinsamten Marktplatz anhören. Das sind für einen Lebenslauf eindeutig zu viele Ziele. Ein Bürger degradierte ihn sogar zum Lehrling: „Geben Sie dem Schlossberg wieder Identität, das wäre Ihr Gesellenstück“, forderte er.