Im Kreis aufgelesen: Süßes und Saures. Diese Woche zieht das Fernsehen eine weitere Frau aus Böblingen an. Das ist kein Wunder, schließlich wird im Kreis extrem Energie gespart.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Im Kreis Böblingen gibt es nicht einmal einen Blumentopf zu gewinnen. Hier heißen die aktuellen Auszeichnungen Primärenergiefaktor Null oder European Energy Award. Das ist Lichtjahre entfernt von dem goldigen Männchen namens Oscar, das sich die Damen und Herren am vergangenen Sonntag in Los Angeles schön glamourös an die Brust drückten. Dieser europäische Energiepreis, den der Landrat jetzt am Dienstag herzen durfte, strahlt sogar in Gold keinen Glanz aus: Es handelt sich um ein blaues (!) Schild. Auch das Zertifikat, das die Stadtwerke Böblingen und Sindelfingen für ihre Fernwärme erhalten, kann höchstens für den Fachmann wie ein heißer Titel klingen.

 

Landrat eifrig bei Castings

Während der Landkreis den Gürtel also immer enger schnallt, wandern immer mehr attraktive Fachkräfte ab. Zuletzt war es die sehr schlanke Daniela Wolking, die gerade Germanys Next Top Model werden will. Roland Bernhard kann bei noch so vielen Castings mitmachen, er wird Frauen wie die 23-Jährige kaum halten können. Momentan hätte er ihr noch die Plakette „RadKULTUR-Modellkommune“ zu bieten, mit der der Landrat diese Woche ebenfalls geschmückt wurde. Der Name der Initiative konnte offensichtlich nicht auf die Schnelle seinem Eifer angepasst werden. Und damit nicht genug: Roland Bernhard will es schaffen, dass in 2020 jeder fünfte Verkehrsteilnehmer mit dem Fahrrad unterwegs ist.

Ein Ratschlag vom ultimativen German Erfolgsmodel hätte dem Landrat in dieser Sache gut gestanden. Denn er glaubt, die Kreisbewohner mit einer Radstempeljagd auf die Drahtesel zu locken. Heidi Klum würde die Strategie von Heilbronn sicher besser bewerten: Die Stadt nimmt den Titel Radmodellkommune ernst und veranstaltet den Fotowettbewerb Radstars. Das entspricht eher dem aktuellen Selfie-Selbstauslöser-Foto-Hype, als stempeln zu gehen. Allerdings nehmen junge Frauen einiges auf sich, weshalb Roland Bernhard vielleicht gar nicht so falsch liegt. Daniela Wolking stöckelt diese Woche zum Beispiel in hochhackigen Schuhen über einen 50 Meter langen, mit Kies aufgefüllten Laufsteg.

Man muss schon Mitleid haben und sich fragen, warum Daimler nicht mehr die besseren Jobs zu bieten hat. Die Leichtigkeit, mit der seichte Sender in diesem Speckgürtel Personal für ihre Qualshows akquirieren können, ist besorgniserregend. Vor fünf Jahren suchte Leyla Mert aus Sindelfingen ihr Glück bei ProSieben – und stand in der gleichen Staffel ausgerechnet einer Böblingerin gegenüber. Die harte Prüfung schaffte die Architekturstudentin zwar nicht. Bild bleibt dennoch dran: „Schon etwas in Vergessenheit geraten ist Leyla Mert, aber als Model ist sie trotzdem noch erfolgreich“, berichtete die Zeitung im Juli von der Berliner Fashion Week. Und um Kera Rachel Cook kümmerte sich kürzlich Markus Lanz in seiner Talk-Show: Die Böblingerin ist von Heidi Klum schnell ausgemustert worden und im Speckgürtel geblieben – als Curvy Model für Übergrößen.

Utopische Ziele einer Pionierin

Isolde Ansel hat sich jetzt von einer anderen Utopie anziehen lassen. Das griechische Wort bedeutet Nicht-Ort, und der ist für diese Böblingerin die brandenburgische Pampa. Sie zog in ein Bauernhaus mit 14 Fremden – und 100 Kameras von Sat 1. „Ich möchte endlich mal etwas ganz Neues machen“, sagte die 55-Jährige, die bisher Umschulungen und Knigge-Kurse für Jugendliche gab. Statt im Böblinger Raum für Taten und Talente zu dümpeln, soll sie ein Jahr lang in der Sendung Newtopia als Pionierin „eine neue Welt erschaffen“. Isolde Ansel wolle mit anpacken, teilt der Sender mit, möchte aber auch, „dass Männer sich am Abwasch beteiligen und Toiletten putzen“. Diese Pläne sind dermaßen utopisch, dass ihr Scheitern wohl programmiert ist.

Im Juni kann sich Isolde Ansel immerhin bei Peter Schilling im Sensapolis trösten. Der Mann, der als Major Tom völlig losgelöst von der Erde schwebte, wird nun als „musikalische Sahnehaube“ für die „We love the 80s“-Party angepriesen. Das klingt so sexy wie Primärenergiefaktor Null.