Aufgelesen im Kreis: Süßes und Saures. ­Diese Woche gilt bei der CDU Heimatliebe offenbar als Hauptqualifikation für das Bundestagsmandat von Clemens Binninger.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Ersten Hochrechnungen zufolge kann sich die Böblinger Kreis-CDU auf einen langen Abend am 19. November einstellen. Bis dahin sind es wahrscheinlich zehn Kandidaten, die sich um die Nachfolge von Clemens Binninger bewerben. Darauf lässt die bisherige Schlagzahl im Kandidatenreigen schließen. Der Böblinger CDU-Stadtverband versucht jetzt, den Bewerberstrom zu stoppen. Ausdrücklich begrüßen dessen Vorstände die Kandidatur von Marc Biadacz. Sie heben hervor, dass ihr Mann aus Böblingen stammt „und jahrelang von der Basis aus mitgearbeitet hat“. Das heißt so viel wie: Irgendwelche dahergelaufenen Stuttgarter, Waldenbucher, Leonberger und Nufringer wollen wir hier nicht haben.

 

Fremde Hilfe ist unerwünscht

Aber solche Scheuklappen sind verständlich, schließlich ist die Lage unübersichtlich. Kaum hatte Clemens Binninger an einem Donnerstagabend Mitte September aus heiterem Himmel erklärt, nicht mehr für eine weitere Periode im Berliner Bundestag sitzen zu wollen, hob eine Stuttgarterin gleich am folgenden Vormittag die Hand. „Wir brauchen keine fremde Hilfe“, schallte es der 57-jährigen Stadträtin Iris Ripsam, die für den Stuttgarter Innenminister Thomas Strobl in den Bundestag nachgerückt war und dort sitzen bleiben möchte, sofort entgegen. Marc Biadacz zeigte daraufhin mehr Taktgefühl und ließ zehn Tage verstreichen, bis er seinen Erbanspruch geltend machte. Doch kurz darauf konterte Swen Menzel und demonstrierte als dritter Kandidat einen national betrachtet kleinen, aber innerhalb des Wahlkreises Böblingen großen Aktionsradius: „Seit 38 Jahren lebe ich im Kreis Böblingen. Ich bin in Böblingen geboren, in Rutesheim aufgewachsen und lebe in Nufringen“, heißt es in seiner Bewerbung

Bemerkenswert an Oliver Zander ist wiederum, dass er für einen Leonberger erstaunlich weit über den Altkreisrand hinausblicken kann. Er bezeichnet den gesamten Wahlkreis als seinen Lebensmittelpunkt. Das kann daran liegen, dass eingeschworene Leonberger wissen, dass ebenjener Wahlkreis von 1965 bis 1980 nicht Böblingen, sondern Leonberg-Vaihingen hieß – oder daran, dass der vierte Kandidat in Stuttgart geboren ist. Stefanie Behrens ist mit ihrem Beitrag an Lokalkolorit im Prinzip schon ausgeschieden: „Ich halte es für wichtig, dass auch eine Frau aus dem Landkreis für das Bundestagsmandat kandidiert“, erklärte die Juristin aus Waldenbuch zu ihrer Bewerbung – und setzt damit genau auf das falsche Pferd. Denn ihr Zugehörigkeitsnachweis ist höchst zweifelhaft, da die Waldenbucher neben den Steinenbronnern als einzige Kreisbewohner seit 2005 ihr Kreuz in Esslingen machen.

Heimweh in berlin?

Für ihre Grenzüberschreitung gibt es allerdings einen guten Grund: Im Wahlkreis Esslingen ist das CDU-Mandat seit 1949 fest in Männerhand. Die Böblinger Konservativen sind immerhin einmal schwach geworden – für Brigitte Baumeister von 1990 bis 2002. Ein Blick in die jüngere Vergangenheit zeigt jedoch, dass die Parteikampagne „Frauen im Fokus“ in diesem Wahlkreis nicht auf fruchtbaren Boden fiel: Im März 2015 konnte sich die Kreis-CDU nicht überwinden, dem Landtagsabgeordneten Paul Nemeth eine Frau als Zweitkandidatin zur Seite zu stellen. Schon diesen Posten sicherte sich Marc Biadacz. „Baden-Württemberg und der Landkreis Böblingen sind meine Heimat. Böblingen ist mein Zuhause. Hier bin ich geboren und aufgewachsen“, markiert der Platzhirsch dieses Mal sein Revier. Bleibt nur zu hoffen, dass er in Berlin kein Heimweh bekommt.