Aufgelesen im Kreis: Süßes und Saures. Diese Woche kämpft die CDU um die Herrschaft auf dem Schlossberg. In Sindelfingen wird dagegen viel vorausschauender Politik gemacht.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Der Kampf um den Titel ist doch noch entbrannt: König vom Böblinger Schlossberg darf schließlich kein Sozialdemokrat werden! Florian Wahl eroberte den heruntergekommenen Hügel zwar im Handumdrehen. Offenbar kam seine Kampagne für die Altstadt so überraschend, dass die anderen Parteien sich geschlagen geben und seinen interfraktionellen Antrag auf ein Konzept für den Stadtteil unterschreiben mussten. Mittlerweile hat die CDU aber ihre Truppe formiert – und sägt an seinem Thron. An zwei Samstagen befragten die Christdemokraten Marktbesucher am Pestalozzihof zur Zukunft des Schlossbergs. Bürgerbeteiligung liegt schließlich im Trend. „Man konnte sehr gut erkennen, dass hier viele Ideen und Anregungen vorhanden sind“, lautet ihre spektakuläre Bilanz der Aktion.

 

Mit den Bürgern direkt ins Gespräch gekommen

Für die konservativen Volksvertreter war diese Volksnähe wohl eine ganz neue Erfahrung: „Es freut mich, dass wir mit den Bürgern direkt ins Gespräch kommen konnten“, wird der CDU-Gemeinderatsfraktionschef Hans-Dieter Schühle in der Mitteilung zitiert. Das klingt, als hätte er vielmehr das Gegenteil erwartet. „Auch Paul Nemeth, der Böblinger Landtagsabgeordnete, war zu Gast und kam mit den Bürgern ins Gespräch“, schreibt die über sich selbst verblüffte CDU weiter. Auf den dabei gewonnenen Ideen und Anregungen könne die Fraktion gut aufbauen, lautet ihre weitere Strategie. Inwiefern sich damit der Titel holen lässt, ist in erster Linie eher nur für die Christdemokraten spannend.

In Sindelfingen wird dagegen viel vorausschauender Politik mit Bürgerbeteiligung gemacht. Die Stadtverwaltung denkt bereits an das Jahr 2016 – und die Fußballeuropameisterschaft. Künftig soll es nämlich alle zwei Jahre bei den großen Turnieren Public Viewing auf dem Wettbachplatz geben. „2014 war ein voller Erfolg“, bilanzierte der Ordnungsamtsleiter Lutz Lemke jüngst die Aktion. 25 000 Gäste kamen zum gemeinsamen Fernsehen in den sechs Wochen der Weltmeisterschaft. Weitere 20 000 hätten sich die Internetseite dazu angesehen. „In diesem Zeitraum haben sich somit 45 000 Menschen mit der Stadt und deren schönen Ambiente befasst“, rechnete er dem Gemeinderat vor – und das alles für schlappe 70 000 Euro. Wenn demnächst die Entscheidung dazu in dem Gremium ansteht, wird sie also sicherlich nicht wie vor einem Jahr mit nur einer Stimme Mehrheit fallen: Jubelnde Menschenmassen wirken auf Volksvertreter in der Regel wie Opium.

Die Schale rettet nicht vor dem Abstieg

So gesehen ist es gleichermaßen weitsichtig vom Verein Deutsches Fleischermuseum sich bei Fußballfans beliebten Objekten anzunehmen: Die Sammlung wurde jetzt um einen Deckelpokal erweitert. Das vergoldete Stück stammt aus dem Jahr 1755 und gehörte einst der Maulbronner Metzgerzunft. Am Ende wird es allerdings nicht die Schale sein, die das Museum vor dem Abstieg rettet, sondern die SPD: Denn Florian Wahl und seine Fraktion haben die Abschaffung der Einrichtung beantragt – und die CDU kann sich doch nicht alles von den Sozialdemokraten bieten lassen!

Sollte Böblingen (oder dem fußballverrückten Sindelfingen) demnächst das Geld ausgehen, können sich die Städte ein Beispiel am Landratsamt nehmen. Die Behörde sucht Mitarbeiter, die keinen Lohn verlangen. „Tolle Einsatzmöglichkeiten“ in der Streuobst und Landschaftspflege, der Vermarktung regionaler Produkte oder bei Veranstaltungen, Messen und Märkten sowie „ein spannendes Jahr“ in diesem Bundesfreiwilligendienst werden als einzige Gegenleistung geboten. Das klingt nach umsonst Rasenmähen, Apfelsaft ausschenken oder Prospekte verteilen – und einer äußerst ausgeklügelten Strategie.