Zwischen brünftigem Rotwild und superlauten Auspuffanlagen gibt es Parallelen. Das meint zumindest unser Kolumnist.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Stuttgart - Wie man fit bleibt, erklären uns Fachblätter wie „Fit for Fun“ oder „Men’s Health“. Sie wissen schon, regelmäßiges körperliches Training, gesunde Ernährung, positives Denken und so weiter. Und damit wir auch alles richtig machen, lassen wir uns rund um die Uhr von einem Fitnesstracker mit GPS-Sender überwachen. Der wird sich schon bald mit unserer intelligenten Badezimmerwaage und dem ebenso schlauen Kühlschrank in Verbindung setzen. Erreicht das Gewicht einen von neuesten Fitnessalgorithmen ermittelten Höchstwert, wird die Kühlschranktür elektronisch verriegelt.

 

Es gibt aber auch Menschen, für die Fitness überhaupt nichts mit dem Body-Mass-Index, dem Umfang des Bizeps oder dem wohldefinierten Sixpack unterm T-Shirt zu tun hat. Diese Menschen sind Genetiker und bezeichnen mit Fitness den Fortpflanzungsbeitrag eines Individuums zur nächsten Generation. Im Klartext: Je mehr Kinder wir in die Welt setzen, desto höher ist auch unsere Fitness. Gemessen an der Geburtenzahl ist festzustellen, dass die Deutschen auch schon mal fitter waren – zumindest aus genetischer Sicht.

Voraussetzung ist ein geeigneter Sexualpartner

Der Begriff Fitness leitet sich ab von der Formulierung „Survival of the fittest“, die schon Charles Darwin verwendete. Der Begründer der Evolutionstheorie meinte damit das Überleben jener Individuen, die am besten an ihre Umwelt angepasst sind – abgeleitet vom englischen Verb „to fit“ (passen). Je besser ein Lebewesen mit seiner Umgebung zurechtkommt, desto wahrscheinlicher erreicht es die Geschlechtsreife und kann seine Gene an die nächste Generation weitergeben. Dieser Mechanismus ist eine wichtige Triebfeder der Evolution.

Voraussetzung für eine hohe genetische Fitness ist natürlich ein geeigneter Sexualpartner. Viele Tiere treiben deshalb einen enormen Aufwand, um dem anderen Geschlecht zu imponieren und Mitbewerber in die Schranken zu weisen. Hirsche lassen sich gewaltige Geweihe wachsen und teilen lautstark röhrend mit, wer der Chef im Ring ist.

Das Motto lautet: Achtzylinder statt Sechzehnender

Der Mensch der Neuzeit bedient sich bei der Balz auch technischer Hilfsmittel. Manche männliche Vertreter unserer Spezies markieren ihr Revier in der Brunftzeit gerne mit dem kraftvollen Röhren der Sportauspuffanlagen ihrer hochgezüchteten Autos und Motorräder – Motto: Achtzylinder statt Sechzehnender. Sie tun das aber nicht, um ihre Mitmenschen zu ärgern, sondern weil sie sich davon Vorteile im Konkurrenzkampf um weibliche Artgenossen versprechen. Junge und nicht mehr ganz so junge Auto-Poser sind vielmehr Opfer ihrer egoistischen Gene, die an die nächste Generation weitergegeben werden wollen.

Wie soll das nur werden, wenn dicke Schlitten mit laut aufheulenden Verbrennungsmotoren aus dem Stadtbild verschwinden und nur noch flüsterleise Elektroautos durch die Straßen gleiten? Eine Möglichkeit wären sonore Brunftgeräusche, die man sich wie Klingeltöne aus dem Netz herunterladen kann und die über leistungsstarke Lautsprecher wiedergegeben werden. Die nötige Hardware ist meist schon vorhanden. Das Auto so manches Halbstarken gleicht einer rollenden Discothek.

Mit Blick auf die Maximierung der genetischen Fitness könnte allerdings eine andere Strategie erfolgversprechender sein: die hormongesteuerten Autofreaks ungestört um den Block rasen lassen – und währenddessen angeregt mit den Mädels am Straßenrand plaudern.

Neue Kolumne „Fragen Sie Dr. Ludwig

In der neuen Kolumne „Fragen Sie Dr. Ludwig“ geben wir regelmäßig Antworten auf drängende Fragen unserer Zeit. Die Auswahl erfolgt selbstredend nach streng subjektiven Kriterien. Kontakt: werner.ludwig@stzn.de.