Die Ehe für alle hätte schon längst beschlossen werden können. Im Bundestag ist das Thema mehr als zwei Dutzend mal vertagt worden. Jetzt aber sind die Parteien im Wort.

Berlin - Neulich ist ein befreundetes Paar in die USA ausgewandert – einer von beiden hat dort einen super Job bekommen. Kurz vor dem Abflug nach New York, der Hausrat war schon im Container, saßen die beiden in der US-Botschaft. Riesenproblem: keine Aufenthaltsgenehmigung für Stefan. Denn er und Peter sind nur verpartnert. Die USA kennen nur den Status der Ehe. Aber der ist für die beiden hier nicht erreichbar. Über Nacht fuhren sie auf die dänische Insel Aero zur Blitzhochzeit.

 

Der ganze Spaß kostete sie nicht nur eine Stange Geld und jede Menge Nerven, sondern auch ein Stück Würde. So wie unlängst eine Freundin bei einer Bewerbung, in der sie im vorgegebenen Online-Formular den Familienstand angeben musste. Wenn sie verpartnert anklickt, ist sie gezwungen, wildfremden Menschen und potenziellen Vorgesetzten über ihre sexuelle Orientierung Auskunft zu geben, auch wenn sie findet, das geht diese nichts an, und schon manche Diskriminierungserfahrung gemacht hat.

Wer möchte, dass Menschen in diesem Land nicht in ihren Rechten eingeschränkt werden, wenn sie nicht heterosexuell sind, dem leuchtet zumindest die Forderung ein, die Ehe für alle einzuführen. Das geht Umfragen zufolge auch Menschen so, die eine entsprechende Gesetzesänderung nicht direkt als Anliegen sehen würden. Wer die Idee von Gleichbehandlung für grundlegend in einer Demokratie hält, der kann sich ihr schwerlich verschließen. Es geht da um keine Kleinigkeit, nicht um Lifestyle, sondern um Lebensentwürfe, um Gerechtigkeit.

Eine atemberaubende Vorführung

Umso verstörender ist die Art und Weise, in der die Debatte über die Ehe für alle bisher politisch benutzt wird. Nämlich dann, wenn es gerade passt – und immer nur dann. Und das, obwohl das Thema seit Jahren gesetzgeberisch entschieden werden müsste und, was schlimmer ist, auch könnte. Zuletzt hatten sich Union und SPD mit dem Thema befasst, als im katholischen Irland ein Referendum erfolgreich war. Dann herrschte wieder Stille. Einzig die Grünen vertreten ihre Position für eine Gesetzesänderung seit Jahren deutlich – und dass sie vor diesem Hintergrund, wenn auch nach einigem Ringen, nun die Ehe für alle zur Koalitionsbedingung gemacht haben, ist insofern glaubwürdig. Die FDP beschloss flugs Ähnliches, hat sich jedoch mit dem Thema seither wenig profiliert, und dass die Liberalen schon Koalitionsbedingungen stellen ohne überhaupt im Parlament zu sein, wirkt fast possierlich.

Die atemberaubendste Vorführung zeigt derzeit jedoch die SPD. Da liegen im Rechtsausschuss des Bundestags drei sehr ähnliche Gesetzesentwürfe zum Thema vor, zum Ende einer Legislaturperiode unter Schwarz-Rot, die bekanntlich vier Jahre währt. Mehr als zwei Dutzend Mal ist das Projekt inzwischen vertagt worden. Man kann also beileibe nicht von einem unbeugsamen politischen Willen sprechen, sich mit der Gesetzesänderung zu befassen. Das ist noch nicht einmal zu kritisieren, sondern parlamentarischer Alltag. Prioritäten müssen gesetzt werden, und den Sozialdemokraten waren andere Themen innerhalb der großen Koalition eben wichtiger.

Nun aber hat Martin Schulz mit fester Stimme dem Parteitag versprochen, dass es mit ihm keine Koalition geben werde, in der die Ehe für alle nicht „verankert“ sei. Man muss leider sagen: Die Frage ist, wie glaubwürdig dieses Versprechen sein kann.

Vorschau
Am Dienstag, 4. Juli, schreibt an dieser Stelle unsere Kolumnistin Sibylle Krause-Burger.