Wer mit Kindern in den Supermarkt einkaufen geht, braucht starke Nerven. Der Nachwuchs greift nach allem, was er fassen kann. Unsere Kolumnistin Simone Höhn hat einige anstrengende Fahrten hinter sich.

Stuttgart - Kürzlich in einem neuen Edelsupermarkt eines exklusiven Wohngebiets: Mutter mit Zweijährigem auf Bummel-Streifzug durch das gut sortierte Warenangebot. Man kommt ja nicht alle Tage in die noble Gegend! Und ein bisschen Supermarkttourismus bringt Abwechslung in den Alltag.

 

Außerdem gibt es hier einen Haufen nigelnagelneuer Einkaufswagen-Autos – ein Fest für Groß und Klein. Während die Kinder mit Lenken und Fahren beschäftigt sind, können die Eltern in Seelenruhe den Einkauf erledigen. Hm, genau.

Ein paar Meter vor den Kassen streckt einem plötzlich eine kleine Hand einen zerdrückten Minimuffin entgegen. Beim Versuch der Übergabe von der kleinen in die große Hand bröselt alles auf den blitzeblank gewienerten Supermarktboden.

War das jetzt schon Ladendiebstahl?

Ein Blick ins tiefergelegte Einkaufswagen-Mobil bestätigt die böse Vorahnung : Sohn hat sich in voller Fahrt am untersten Fach des Süßwarenregals bedient und die Minimuffins ins Auto gezerrt. In Seelenruhe das Zellophanpapier aufgerissen, aus dem Fenster geworfen und die Muffins gleichmäßig im Fußraum verteilt. Die meisten sind so zerbröselt, dass davon nur noch eine Art Schnitzeljagdspur hinter dem Wagen übrig ist. War das nun Ladendiebstahl oder Vernachlässigung der Aufsichtspflicht? Zum Glück kommen wir ja nicht oft in diese Gegend.

Wer mit Kindern einkaufen geht, braucht starke Nerven. Hatte man sich gerade noch selbst ob seiner unerschütterlichen Konsequenz gerühmt („Nein, die Milchschnitte darfst du leider nicht haben, du hast eben schon eine ganze Brezel gegessen.“/ „Nein, die Gummibärchen darf man nicht aufmachen, die gehören uns nicht.“/ „Nein, Spatz, die Glasflasche bitte schön stehen lassen.“), kapituliert man im nächsten Moment vor der Wurstwarenverkäuferin („Darf er eine Scheibe Lyoner haben?“), ergo der Kassiererin („Hier hab ich einen Traubenzucker für dich“), ergo der Bäckereifachverkäuferin („Magst du einen Keks?“).

Im Fachjargon heißt das „Quengelware“

Und grätschen einem gerade mal nicht die Angestellten in die erzieherische Schwerstarbeit hinein, sind es eben gut platzierte Warenständer. Einmal eine Minute nicht hingeschaut und schon hat Sohn dem Überraschungsei den Kopf mitsamt der Alufolie abgebissen.

„Quengelware“ nennt man das im Fachjargon, sagt eine Freundin, die sich mit der Thematik auskennt. In Supermärkten würde Ware, vorzugsweise Süßigkeiten und Spielsachen, extra in Kinderreichweite und an Kassen platziert, damit die Kleinen ja nicht drum herumkommen, es (lautstark) haben zu wollen oder es eben gleich anzubeißen. Böse Konsumwelt.

So anstrengend ein Einkauf mit Kindern für die Erwachsenen ist – für den Nachwuchs ist es eine einzige Verheißung. Überall kunterbunte Dinge, die rascheln, gluckern oder riechen, geheimnisvolle Lautsprecherdurchsagen, nette Omis, die sich parteiisch hinter die Kleinen stellen, wenn ihnen Mami die Milchschnitte nicht gönnt. Und tolle Einkaufsmobile, in denen man kinderleicht selbst einkaufen kann, prompter Warentest inklusive.