Aufgelesen im Kreis: Süßes und Saures. Diese Woche hätte eigentlich Angela Merkel den Böblingern einen Besuch abstatten sollen. Aber den Aufwand kann sie sich tatsächlich sparen.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Diese Bundestagswahl hat einen Makel, lautet die allgemeine Analyse schon vorab: Egal, wen man wählt, Angela Merkel bleibt Kanzlerin. Im Kreis Böblingen muss diese Aussage aber vor allem positiv ankommen. Abgesehen davon, dass die CDU das Direktmandat seit fast 70 Jahren fest im Griff hat. Auch dieses Mal wird die SPD nicht an ihr einzigartiges Ergebnis von 1972 anknüpfen können, als Hans Geiger unter Bundeskanzler Willy Brandt bei der vorgezogenen Wahl mit 27 Stimmen seinen konservativen Konkurrenten übertrumpfte. Damals durften erstmals auch junge Menschen im Alter zwischen 18 und 20 Jahren an der Abstimmung teilnehmen, nachdem das Wahlalter von 21 auf 18 Jahre gesenkt worden war.

 

Eher ein Ausdruck von jugendlichem Sturm und Drang

Heute kann Martin Schulz noch so mitreißende Reden auf dem Böblinger Marktplatz halten , während Angela Merkel ihren für 18. September angekündigten Besuch „aus terminlichen Gründen“ einfach absagt und stattdessen ihren 75-jährigen Finanzminister Wolfgang Schäuble als Ersatz schickt. Die Nachwuchswähler sind schon längst auf Linie der Alten. Bei einer Umfrage stimmten fast 38 Prozent der jugendlichen Kreisbewohner für die CDU: Die Union erhielt damit beim Nachwuchs die mit Abstand meisten Stimmen. Die SPD schaffte gerade noch die 17-Prozent-Hürde, die Grünen würden knapp 15 Prozent wählen. Fast schon beruhigend erscheint dagegen, dass knapp 23 Prozent für andere Parteien gestimmt haben, denn die Tierschutzpartei, die FDP, die Piraten und die Linke sind doch eher ein Ausdruck von jugendlichem Sturm und Drang als die CDU.

Immerhin überrascht der Wahlkreis Böblingen mit seiner Jugendlichkeit auf andere Weise: Auf seinen Stimmzetteln stehen die jüngsten Bewerber in ganz Baden-Württemberg. Während in Offenburg, wo Wolfgang Schäuble antritt, das Durchschnittsalter bei 60,8 Jahren liegt, kommt Böblingen laut einer Berechnung des Bundeswahlleiters auf einen Schnitt von 41,3 Jahren. Auffällig ist, dass das linke Spektrum die Zahl nach unten zieht mit der 67-jährigen Johanna Jäckh-Vermeulen von der marxistisch-leninistischen Partei und Richard Pitterle von der Linken (58). Auch den Bundesdurchschnitt von 46,9 Jahren unterschreiten die Böblinger Kandidaten. Wobei es anderswo sogar noch jünger geht: Nienburg-Schaumburg in Niedersachsen ist mit knapp 33 Jahren Spitzenreiter gefolgt vom Wahlkreis um die Universitätsstadt Marburg mit 36,3 Jahren.

Ein Junger für alte Parolen

Aber ein jugendliches Alter muss nicht gleichbedeutend sein mit spritzigen Ideen. Siehe die Jugend im Wahlkreis Böblingen, die schon minderjährig wie die Rentner abstimmt. Und siehe Markus Frohnmaier von der AfD, der mit seinen 26 Jahren nach Tobias Bacherle (22) von den Grünen der zweitjüngste Kandidat in der Böblinger Runde ist. Bundesweit hat seine Partei im Vergleich die ältesten Kandidaten aufgestellt. Sie kommen auf 51,6 Jahre. Auf Platz zwei steht die CDU mit 47,5 Jahren, die FDP bietet mit 44,2 Jahren die jüngsten Politiker. In gewisser Weise passt das AfD-Alter zu den alten Parolen der Partei, nur die Jugend halt nicht: Von den Unter-18-Jährigen haben leider sieben Prozent ihren Haken bei der extremen Rechten gemacht.