Alkohol ist ein beliebter Helfer beim Hinunterspülen von Kummer. Aber: Kummer kann schwimmen. Muss man nur mal nach Bietigheim-Bissingen schauen.

Region: Verena Mayer (ena)

Bietigheim-Bissingen - Was ist besser als rumsitzen? Na logisch: Rum trinken! Was ist besser als Stroh im Kopf? Aber sicher doch: Korn im Blut! Und, einer geht noch: Was ist besser als Quark reden? Bier trinken, was denn sonst!

 

Was hingegen gar nicht gut ist, ist sich mit Alkohol hinter ein Steuer zu klemmen. Also nicht nur nicht im wörtlichen Sinne, mit einem Gläschen Chardonnay zum Beispiel. Ein Schlagloch nur – und der gute Tropfen ist verschüttet. Was unter Puristen auch eine Form des Alkoholmissbrauchs ist. Aber auch im übertragenen Sinne sollte man es vermeiden, mit Alkohol (um präzise zu sein: alkoholisiert) Auto zu fahren. Es ist einfach viel zu gefährlich.

Das Verfahren ist schon sehr merkwürdig

Da muss man nur mal Jürgen Kessing fragen, den Oberbürgermeister von Bietigheim-Bissingen. Der arme Mann hatte sich erbarmt, dem langen, mühseligen Arbeitstag, der sogar mit einer Gemeinderatssitzung aufgewartet hatte, einen versöhnlichen Ausklang zu bescheren, und sich mit nicht minder beflissenen Stadträten zur Nachsitzung in einer gemütlichen Lokalität getroffen. Was grundsätzlich eine hervorragende Idee ist. Wie schnell verraucht ein Ärger, wenn man ihn mit einem Bierchen hinunterspülen kann. Wie schön erscheint erst ein gefasster Beschluss, wenn man mit einem Schnaps drauf anstoßen kann. Außerdem: Wer, wenn nicht die Bietigheimer, wissen, dass Geld am besten in Alkohol angelegt wird. Weil es nirgendwo sonst für wenig Einsatz 40 Prozent gibt.

Aber trotzdem hat sich das feucht-fröhliche Nachsitzen als sehr gefährlich erwiesen. Und zwar deshalb, weil sich mitten in der Nacht völlig unangekündigt eine Polizeikontrolle postiert hatte, um die Einhaltung von Recht und die Bewahrung der Ordnung zu kontrollieren. Besonders dreist: Die gestrengen Gesetzeshüter sind nicht einmal vor dem Oberbürgermeister in seinem schönen Mercedes zurückschreckt. Das Ergebnis: 1,17 Promille, Punkte, acht Monate Führerschein weg und eine Geldstrafe. Fairerweise muss man erwähnen, dass Jürgen Kessing die Polizisten nicht mit „Herr Lachmeister“ angesprochen hat, dass er nicht behauptet hat, „nockstüchtern“ zu sein, und auch, dass er nicht darauf bestanden hat, dass die Werte des Messgeräts in der Einheit Kamille anzeigt werden. Und fairerweise muss man auch erwähnen, dass das Verfahren insgesamt doch sehr unfair scheint. Oder zumindest bemerkenswert merkwürdig.

Gingen die anderen auf allen Vieren nach Hause?

Ist es nicht seltsam, dass die Polizisten ausgerechnet Jürgen Kessing aus dem Verkehr ziehen? Wo er doch erwiesenermaßen nicht alleine bei der Nachsitzung war. Überhaupt: Wie sind die Trinkkumpane nach Hause gekommen? Etwa zu Fuß, oder, lieber gar nicht ausmalen, auf allen Vieren? Warum nur hat keiner den Oberbürgermeister vor dem Ärgernis bewahrt, erwischt zu werden? Wäre den Nachsitzern ein Zacken aus der Krone gebrochen, wenn sie ihren Anführer in ein Taxi gesetzt hätten? Damit, dass Jürgen Kessing seinen Führerschein los ist, ist es ja nicht getan.

Erst mal musste er dem Deutschen Leichtathletik-Verband erklären, dass er trotz Straffälligkeit ein guter Präsident werden kann. Und nun muss er auch noch acht Monate lang gucken, wie er von A nach B kommt. Klar, die eine oder andere Strecke lässt sich mit dem Rad bewältigen. Und ja, Busse und Bahnen gibt es auch. Aber wer in trunkenem Zustand schon nicht gerne aufs Selberfahren verzichtet, weiß es nüchtern vielleicht gar nicht zu schätzen, dass ihm ein Chauffeur zu Diensten ist. Ein Aspekt, der beim Thema alkoholisiertes Fahren viel zu wenig Beachtung findet.

Schlussfrage: Warum trinken Mäuse keinen Alkohol? Schlussantwort: Weil sie Angst vorm Kater haben. Auf die Mäuse!