Der Wahnsinn hat einen Namen – Frühlingsfest! Was die Stimmung in den Zelten betrifft, sagen die Wirte, gibt’s kaum noch einen Unterschied zum Volksfest. Unser Kolumnist Uwe Bogen war bei der „Wasenwahnsinns“-Party und verrät, was am „Cannstatter Frühlingsfest“ nicht stimmt.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Was falsch sein soll am Lebkuchenherzen, auf dem „Gruß vom Cannstatter Frühlingsfest“ steht, hat nicht jeder verstanden. Das Foto davon wurde bei Facebook als „Fake-News“ gepostet. „Bin ich doof?“, fragte jemand, „ich finde keinen Fehler.“

 

Gut, einen Schreibfehler gab’s nicht. Aber ein „Cannstatter Frühlingsfest“ gibt’s auch nicht – es heißt seit über 70 Jahren „Stuttgarter Frühlingsfest“.

Auswärtige, von denen viele „die Wasen“ sagen (wie „die Wiesn“ von München), sind verwirrt über den feinen Unterschied. Man sagt Cannstatter Volksfest, aber Stuttgarter Frühlingsfest. Bitte jetzt alle wiederholen und gemeinsam aufsagen! Cannstatter Volksfest – Stuttgarter Frühlingsfest!

Manchmal hört man „Stuttgarter Wasen“

Die Erklärung ist einfach. Als König Wilhelm das Volksfest vor bald 200 Jahren erfunden hat, war Bad Cannstatt noch selbstständig. Eingemeindet hingegen war die einstige „Kannstadt“, als das Frühlingsfest, ebenfalls auf dem Wasen, in den 1930ern vor dem Krieg hinzukam.

Im zentralen Rathaus bestand man damals auf den Zusatz „Stuttgart“ . Dies soll etliche Cannstatter bis heute von einem Besuch auf dem Frühingsfest abhalten.

Die zehn wichtigsten Fakten zum Frühlingsfest sehen Sie im Video:

Über den Wirrwarr der Namen wundert sich Brauchtumsexperte Wulf Wager nicht, der Moderator der Frühlingsfesteröffnung: „Es geit jo au gnuag Bachel, die vom ,Stuttgarter Volksfest’ schwätzat oder schreibat, oder no schlemmer„,Stuttgarter Wasen’ oder ,Cannstatter Vasn’“. Volksfest-Wirt Michael Wilhelmer will zwar an Traditionen festhalten, gibt aber zu bedenken: „Für die internationale Werbung wäre der Name ,Stuttgarter Volksfest’ besser, weil in der Welt Stuttgart bekannter ist als Cannstatt.“

„Stunt“ mit Bierkrug von der Security untersagt

Ob Frühlingsfest oder Volksfest – die Unterschiede beim Partymachen in den Zelten werden immer geringer. Bis auf den Sonntag, der als der schwierigste Tag gilt, gibt’s abends kaum freie Plätze. Überwiegend junge Menschen stehen in Lederhosen und Dirndl auf den Bänken und gröhlen textsicher jeden Song mit, auch wenn er noch so alt ist. Ein Klassiker von 1976 ist in allen Zelten der größte Hit, kommt gar öfter als „Atemlos“: „Mamma Mia“ von Abba.

„Wasenwirtwahnsinn“ – der Name des Logenfestes der „Partyspielagenten“ im Wasenwirt-Zelt war kein Zufall. Eigentlich wollte Gastgeber Florian Gauder dem Kumpel Sven Cermak einen Krug über den Schädel donnern, auf dass dieser tausendfach zersplittert. Was keiner hätte wissen können: Die beiden hatten einen Spezialkrug aus Zucker für 180 Euro besorgt. Die Zelt-Security untersagte diesen Trick. Befürchtet wurde, dass viele Gäste ihn mit echten Krügen nachmachen. Erst als das Zelt leer war, durfen die verrückten „Agenten“ ihren „Stunt“ im kleinen Kreis vorführen.

Wirt zahlt den Nacktmodels ein Ausfallhonorar

Beim Wasenwirt ist man vorsichtig geworden. Chef Armin Weeber hatte kurzfristig den Fassanstich der Nacktmodels Micaela Schäfer und Ramona Burkardt abgesagt. „Freiwillig“, wie er betont, um die Veranstaltungsgesellschaft in.stuttgart nicht zu verärgern. Ohne Murren hat er den „Busenfreundinnen“, wie sie sich nennen, ein Ausfallhonorar bezahlt. Die Absage ihres Bikini-Auftritts zeigt nach Meinung des Playmates Ramona, wie „scheinheilig“ die „Anti-Sexismus-Welle“ sei: „Auf der eine Seite wird alles immer versauter. Hausfrauen wünschen sich Sex wie bei ,Fifty Shades of grey’. Auf der anderen Seite aber ist ein Bikini nicht mehr familientauglich.“

„Die beste Stimmung ist bei der Gaydelight-Party“

Rausgeschmissene Nacktmodels waren der Wasen-Aufreger also in diesem Jahr. Früher, sagt Wirt Weeber, war’s die Schwulenparty, die er vor 20 Jahren in seinem Zelt gestartet hat. Die Veranstaltung Gaydelight rufe aber schon lange keine Proteste mehr hervor. „An diesem Abend ist eindeutig die beste Stimmung des ganze Frühlingsfestes“, sagt der Wirt, der „als Hetero“ am Anfang Berührungsängst gehabt habe. Heute freut er sich auf das „Hightlight“ in seinem Zelt.

Weil Travestiekünstlerin Frl. Wommy Wonder am Donnerstag in Ditzingen auftritt, kann sie diesmal bei der Gaydelight-Party nicht dabei sein. Da sie als „erkennbar falsche Frau“ auf dem Weg vom Parkplatz ins Zelt im Fummel auf dem Wasen immer „derb angemacht“ werde, wolle sie nicht wissen, „wie es echten Frauen ergeht“.

Autor vom „Unnützen Stuttgartwissen“ als „Bauer“ verspottet

Gute Nerven schaden nicht bei einem Wasenbesuch. Der Autor Patrick Mikolaj („Unnützes Stuttgartwissen“) wurde wegen seiner Tracht beschimpft. Dabei entspricht diese mit Kniebundhose, Kniestrümpfen, weißem Hemd und Weste „viel mehr einer württembergischen Tracht als das, was man sonst so sieht“, sagt er. Mikolaj, dessen neues Buch „Das gibt es nur in Stuttgart“ bald erscheint, beklagt ein „verzerrtes Bild in Stuttgart“. Viele seien der Meinung, dass Latzhose und Karohemd eine uralte Tradition auf dem Wasen sei. Mit seiner authentischeren Tracht-Version wurde er als „Bauer“ verspottet. Verkehrte Rummelwelt. Wer zum „Cannstatter Frühlingsfest“ auf dem „Stuttgarter Wasen“ will, bleibt am besten daheim.