Lange setzte der Westen in Syrien auf verschiedene Rebellengruppen – und scheiterte damit. Dass dagegen Moskaus Eingreifen Bewegung in die Lage gebracht hat, wollen viele deutsche Politiker nicht zugeben, meint unser Kolumnist.

Stuttgart - Ab sofort stellt die Bundesregierung weitere 100 Millionen Euro bereit, um die Not in Mossul zu lindern und den Wiederaufbau zu fördern. Gut so! Aber warum versagt dieselbe deutsche Regierung der gleichfalls lange umkämpften Großstadt Aleppo solche Hilfen? Ganz einfach: Aus Sicht der Bundeskanzlerin, ihrer sozialdemokratischen Koalitionspartner, der insofern regierungsfrommen Grünen und der meisten unserer Meinungsmacher haben in Aleppo die Falschen gewonnen – die Regierungstruppen Assads und die Interventionsstreitkräfte Putins.

 

Dahinter steckt ein seit Jahren in Deutschland gepflegtes Fehlurteil, demgemäß „die Rebellen“ in Syrien die Guten seien. Dagegen spricht ein Faktum, über das deutsche Medien infolge ideologischer Selbstverblendung kaum berichten: Seit dem Sieg der syrischen Regierungstruppen in Aleppo kehrten laut der UN 440 000 syrische Binnenflüchtlinge in ihre Heimatstädte zurück; seit dem Beginn der russischen Intervention 2015 machten sich von den ins Ausland geflüchteten Syrern knapp 300 000 auf den Rückweg. Das sind keine Sympathisanten eines Diktators, sondern Menschen. Solange die Bundesregierung ihnen die Unterstützung verweigert, macht sie sich der unterlassenen Hilfeleistung schuldig. Anders die chinesische Regierung. Sie veranstaltete Anfang Juli in Peking eine Konferenz zum Wiederaufbau in Syrien und schickte als Vorhut für praktische Hilfe Experten nach Damaskus. Die UN verhandelt mit Polen über die Rekonstruktion historischer Bauwerke in Aleppo.

Deutsche Politiker wollen Russlands Rolle nicht anerkennen

Dabei hat sich der politische Rahmen in den vergangenen Wochen drastisch verändert. Abrupt beendete US-Präsident Donald Trump die 2013 (von Präsident Obama) veranlassten umfangreichen amerikanischen Waffen- und Dollarhilfen für die vermeintlich prowestlichen Kämpfer und Terroristen in Syrien. Trump nannte die Hilfen „massiv, gefährlich und verschwenderisch“. Zudem vereinbarte er mit Wladimir Putin einen Waffenstillstand für den Süden Syriens, den – von den USA gebilligt – die russische Militärpolizei überwacht. Damit unterstützt Trump einen Plan, den Türken, Russen und Iraner Anfang Mai im kasachischen Astana ausgehandelt hatten. Dieser sieht vor, dass in Syrien vier große Deeskalationszonen eingerichtet werden. Darüber hinaus verständigten sich Trump und der französische Staatspräsident Emmanuel Macron in Paris darauf, „nicht mehr auf dem Rücktritt des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zu bestehen“.

Zweifellos hat erst das militärische und politische Eingreifen Russlands die Situation derart verändert. Viele deutsche Politiker und Kommentatoren können das nicht verwinden, weil sie sich jahrelang einbildeten, sie würden in Gestalt wild umherschießender Freikorpskämpfer, verniedlicht als „die Rebellen“, die Richtigen unterstützen. Das sieht der päpstliche, für ganz Syrien zuständige Apostolische Vikar von Aleppo, Bischof Georges Abou Khazen, völlig anders. Er schrieb im September 2016 aus der umkämpften Stadt: „Am meisten überrascht es uns, dass die sogenannten Rebellen – also das islamische Kalifat – allen Erklärungen zum Trotz letztendlich vom Westen unterstützt werden.“ In einem neuem Buch sind die Kriegs- und Leidensberichte aus der Pfarrei San Franziskus in Aleppo versammelt.

Vorschau In der kommenden Woche schreibt an dieser Stelle unsere Kolumnistin Katja Bauer.