Die Demokratie in den USA hat schon viele Präsidenten ausgehalten – und könnte sogar mich ertragen. Eine Kolumne von Jörg Thadeusz.

Washington - Lieber Herr Thadeusz, wären Sie fit fürs Weiße Haus?   Klar werde ich aufgeregt sein. Kurz bevor ich hinaustrete in die kalte Januarluft, um auf den Stufen des Kapitols die Hand auf die Lincoln-Bibel zu legen und meinen Amtseid zu schwören. Rudi macht mir die Haare, ein Präsidentenfrisur, kein Problem. Der hat schließlich schon die späte Jackie Kennedy frisiert. Friseur Rudi Genewsky lebt und arbeitet seit einem Vierteljahrhundert in den USA. Große Namen sind dem Exil-Bayern „grad wurscht“. Menschlich müssen Menschen sein, „dann passt’s“. Für meine Vereidigung würde sich Rudi gewiss mit französischem Luxus parfümieren – oder in seinen Worten: „Da tu’ ich mir den Hermes hinschmieren.“

 

Ich bin fünf Jahre lang beinahe jeden Monat nach Washington gereist. Manche Amerikaner wollten mich wegen dieses schweren Schicksals in den Arm nehmen. Immer wieder Washington? „Unsere schlimmste Stadt, voller Verbrecher!“, vertraute mir eine Frau aus dem Mittleren Westen im Flughafenbus in Chicago an. Wenn es die Bedingung ist, um wieder nach Washington zu dürfen, dann nehme ich auch das Weiße Haus in Kauf.

Wie es ist, von einem Menschen mit schwerem deutschem Akzent regiert zu werden, wissen mindestens die Kalifornier seit Arnold Schwarzenegger. Für deutsche Schlaumeier war der Österreicher eine Lieblingslachnummer. Wo leben eigentlich die 39 Millionen Deutschen, die in unserem so irre fortschrittlichen Land von ihrem Ministerpräsidenten mit türkischem Akzent angesprochen werden? Mit meinem Schwur bin ich augenblicklich „commander in chief“. Kann sein, dass meine Generäle mit mir über meinen Zivildienst sprechen möchten. Dazu könnte ich erklären, dass die damalige Gewissensentscheidung nicht denen gegenüber böse gemeint war, die Uniformen cool finden.

Eine 240 Jahre alte Demokratie

Da sind natürlich auch noch die anderen Pflichten. Der Obama-Berater David Axelrod hat in seinem Buch beschrieben, was für ein Riesenstein sich auf die Brust desjenigen senkt, der dieses höchst komplizierte Amt antritt. Als amerikanischer Präsident wäre ich für viele Leute so sehr der Teufel, dass sie mich unbedingt umbringen wollen. Ich würde auch genehmigen, dass Menschen in meinem Namen umgebracht werden. Das Amt des US-Präsidenten zieht schlicht alles und alle an. Die Hoffnung von Einwanderern wie den Irrsinn von Verschwörungstheoretikern. Die Verbündeten verlangen nach Führung, die Gegner Zurückhaltung und überall Missverständnisse. Selbst deutsche Akademiker wollten im jetzigen Amtsinhaber den Weltkönig Barack, den Gütigen, sehen. Als wäre der allein durch charismatisches Auftreten vom demokratischen Zwang befreit, Mehrheiten zu organisieren.

Wenn sich nichts schlimm ändert, sind wir in Deutschland im Jahr 2189 das, was die USA bereits heute sind:  Eine 240 Jahre alte Demokratie. Auf der anderen Seite des Atlantiks hat sich dieses System als so rüttelfest erwiesen, dass es wahrscheinlich sogar mich aushalten würde. Aber allein meine Herzensfreunde in Washington verdienen besser regiert zu werden, als ich es anbieten könnte. Ich benutze also vor meinem Amtsantritt lieber sofort die präsidiale Abschiedsformel, übrigens mit fester Überzeugung: Gott schütze die Vereinigten Staaten von Amerika!