Die Alternative für Deutschland behauptet, sie habe den Mut zur Wahrheit. Aber bisweilen scheint der recht klein zu sein, meint unsere Kolumnistin Katja Bauer.

Berlin - Die frisch gegründete AfD hatte sich schon zu Beginn ihrer Parteikarriere 2013 einen aufrechten Leitsatz verpasst: „Mut zur Wahrheit.“ Die Wahrheit scheint der Partei also wichtig zu sein – auf jeden Fall so wichtig, dass sie glaubte, in diesem Punkt eine Art Marktlücke im politischen Spektrum entdeckt zu haben.

 

Die frisch gegründete AfD hatte sich schon zu Beginn ihrer Parteikarriere 2013 einen aufrechten Leitsatz verpasst: „Mut zur Wahrheit.“ Die Wahrheit scheint der Partei also wichtig zu sein – auf jeden Fall so wichtig, dass sie glaubte, in diesem Punkt eine Art Marktlücke im politischen Spektrum entdeckt zu haben.Es ist auch immer gut, Punkte anzusprechen, in denen man sich über die Parteigrenzen hinweg einig sein kann: Die Wahrheit ist eine feine Sache.

Ärger mit der Uni Dresden

Leider jedoch ist es mit den feinen Sachen oft recht heikel. Schon sehr kleine Differenzen, beispielsweise in der Wahrnehmung oder in der Darstellung oder vielleicht sogar in beidem gleichzeitig bringen schnell etwas aus dem Lot. Auch die jeweilige Perspektive macht es schwierig zu erkennen, ob das, was der eine jetzt als Wahrheit bezeichnet, nicht in Wirklichkeit das Gegenteil ist. Und eigentlich jeder Mensch – auch jeder Journalist – hat schon mal die Erfahrung gemacht, dass eine Wahrheit, die er für so eine hielt, gar keine war, was keine schöne Erkenntnis ist. Aber grundsätzlich ja keine böse Absicht sein muss.

Frauke Petry zum Beispiel hat im November bei „hart aber fair“ gesagt, an der TU Dresden gebe es Schriftstücke, in denen den Mitarbeitern Disziplinarmaßnahmen angedroht würden, falls sie sich an Demonstrationen beteiligen. Da fragte sich die Uni sogleich, ob sie vielleicht die falsche Perspektive auf die Wahrheit hatte. Denn dort kannte niemand so ein Schriftstück. Man suchte und suchte und fand keins, und dann musste die AfD zugeben, dass auch sie keine solchen Schriftstücke kennt. Weshalb Frau Petry dann einen Widerruf abgeben musste. Nicht widerrufen muss Frau Petry die Behauptung, sie habe das Wort Lügenpresse öffentlich nicht verwendet. Sie hat nämlich Pinocchio-Presse gesagt.

Ärger mit dem ZDF

Damit meint sie möglicherweise etwas komplett anderes als ihre Parteifreunde, die immerzu Lügenpresse brüllen. Vielleicht wollte Frau Petry damit ausdrücken, viele Journalisten seien einfach dauernd unartig oder pflegten eine zu hölzerne Sprache, wer weiß das schon? Was man dagegen neuerdings sicher weiß: Frau Petry findet, dass sie als Mutter mit dem gemeinsamen Frühstück für ihre vier Kinder zwischen sechs und sieben Uhr morgens etwas Familienleben gewährleistet. Und sie überlegt sich deshalb gut, „welche TV-Termine wichtiger als diese familiäre Aufgabe sind“. Wer könnte diesen sehr vernünftigen Gedanken nicht nachvollziehen?

Andererseits würde man gerne wissen, ob das der Grund für jenes Fernbleiben bei einem zugesagten Interviewtermin im Morgenmagazin des ZDF war. Oder ob die Partei der Wahrheit eher ein multikausales Problem hatte. So scheint es zumindest. Einmal sagte der AfD-Sprecher laut ZDF, seine Chefin habe den Termin vergessen. „Spiegel-Online“ zitierte ihn ein andermal mit der Erklärung, die Partei sei Opfer eines Hackerangriffs.

Das ärgerte nun wieder das ZDF, weshalb dessen Moderatorin Dunja Hayali darauf verwies, alle Verabredungen seien per SMS und Telefon getroffen worden. Mittlerweile hat Frau Petry ihre Wahrheit aufgeschrieben: Sie behauptet, Hayali sei eine Politaktivistin, weshalb ihr Interesse an einem Interview mit der Journalistin „reduziert“ sei. Wieso sie zunächst zugesagt hatte, erklärte sie nicht. Aber sei es drum. Irgendeiner dieser Gründe wird schon die Wahrheit sein.