Im Schatten der großen Empörung über Donald Trumps erste Entscheidungen hält nichts die Radikalisierung des politischen Diskurses in den USA auf, meint unsere Kolumnistin Katja Bauer.

Stuttgart - In großer Geschwindigkeit trifft der neue US-Präsident Donald Trump Entscheidungen. Die Bilder, die er von diesen Herrschaftsakten versenden lässt, sprechen Bände: Da sitzt einer an einem Tisch und lässt sich stapelweise Dokumentenmappen reichen. Er unterschreibt, ohne das Papier überhaupt noch einmal anzusehen. Hier zeigt einer: Ich weiß am besten, was gut für dieses Land ist, Details brauchen niemanden zu scheren.

 

Bezeugt wird dies von einer Gruppe Getreuer im Hintergrund (nach Protesten sind jetzt auch Frauen dabei). Die Checks and Balances, auf die Amerika zu Recht so stolz ist, sehen anders aus. Natürlich hat jeder US-Präsident das Instrument des Erlasses benutzt (und wurde dafür von der Opposition kritisiert), und natürlich ist das System der demokratischen Kontrolle nicht aufgehoben. Aber der Chor der Beschwichtiger, die auf den Mechanismus der Einhegung vertraut hatten, wird nach der ersten Amtswoche leiser.

Denn Trump baut um, und ein bisschen weniger auffällig deutet er um – so schnell, dass man kaum folgen kann. Es scheint, er nutzt dabei bewusst so etwas wie einen kollateralen Schlagschatten. Das radikale Einreiseverbot, das vergangenen Freitag mit einem Federstrich Menschen aus sieben sogenannten muslimischen Ländern verbannte, erregt weltweiten Protest. Fehlende Ausführungsbestimmungen ließen einen Freiraum offen, in dem Chaos entstand, das wiederum Reaktionen zur Folge hatte. Die Kette der Ereignisse war zumindest der Spur nach absehbar. Niemand kalkuliert das Wechselspiel aus Tabubruch, Empörung und Neudeutung besser als das Team Trumps. Am Dienstag dann der nächste Paukenschlag: Trump entlässt Justizministerin Sally Yates nach ihrer öffentlichen Kritik an seinem Einreisebann.

Weniger Expertise im Sicherheitsrat

Daneben erregen andere Maßnahmen des Präsidenten deutlich weniger Protest und wirken fast klein. Sie sind es nicht. Ebenfalls mit einem Federstrich verbannt Trump fürderhin zwei Profis – die Chefs des Generalstabs und des Nationalen Geheimdienstes – aus dem wichtigen Nationalen Sicherheitsrat. An die Stelle der Fachleute rücken zwei der Figuren, die im Halbkreis hinter Trump stehen: Stabschef Reince Priebus und der rechtsnationalistische Berater Steve Bannon. Außen-, Sicherheits- und Friedenspolitik werden künftig weniger durch Analyse und mehr durch Agenda entschieden – im Fall Bannons handelt es sich dabei um eine mit großer Nähe zur rechtsextremen „Alternative Right“, in der sich weiße Nationalisten, Rassisten und Antisemiten sammeln. Bannon war mit seiner Webseite „Breitbart-News“ deren Sprachrohr, er unterstützt nationalistische Bewegungen weltweit. Es ist derselbe Mann, der kürzlich den führenden Journalisten Amerikas erklärte, sie sollten „den Mund halten“. Keine Gewaltenteilung kann diesen Wandel im politischen Diskurs stoppen.

Derweil zerstörte Priebus mit einem kleinen Kommentar die Illusionen Tausender jüdischer Nachfahren von Holocaust-Opfern. Er verteidigte die Erklärung Trumps zum Holocaust-Gedenktag, in der der geplante Völkermord an den Juden keine Erwähnung fand. Jüdische Organisationen waren darüber entsetzt, aber bereit, das als trauriges Versehen zu betrachten. Weit gefehlt. Es sei doch „offensichtlich“, dass die Juden zu denjenigen gehörten, die unter dem Holocaust gelitten hätten, so Priebus – man sei aber im Weißen Haus „inklusiv“, alle seien gemeint. Der Federstrich, der hier nicht getan wurde, ist kein Zufall. Es materialisiert sich in allen Fasern eine politische Linie. Zuerst dort, wo es ganz schnell und einfach geht.