Simone Peter und andere Grüne lassen die Realität gern außen vor, meint unsere Kolumnistin Sibylle Krause-Burger.

Stuttgart - Was für eine Freude mag uns durchglühen, wenn eines schönen Tages das Mandat der Simone Peter als Vorsitzende der Grünen ausläuft. Dann müssen wir armen Nachrichtenfreunde uns nicht mehr fast allabendlich vor dem anklagenden Blick der Öko-Dame vom Bildschirm herab ins heimische Wohnzimmer fürchten. Als wandelnder Vorwurf tritt sie dem Publikum da entgegen, singt die moralische Ober-Stimme der Opposition und spricht ihr Schuldig-schuldig-schuldig. Sei es, dass sie den Bundespräsidenten ins Visier nimmt, weil er die Russen rügt; sei es, dass die Kölner Polizei die Abkürzung Nafri für nordafrikanische Intensivtäter benutzt und in einem Tweet auch öffentlich macht. Pfui und Aberpfui. Das ist angeblich diskriminierend, das darf man den lieben Nordafrikanern nicht antun, weshalb die lieben Polizisten in Gestalt ihres Kölner Chefs auch gleich einknicken und vor der hochmögenden Dame – warum nur? - einen Kotau machen, also einen Fehler eingestehen. Es war ein Sieg der Ideologie über die Wirklichkeit.

 

Andere Grüne zeigten sich aufgeklärter. Der Tübinger Oberbürgermeister etwa, der streitbare Sohn des streitbaren Remstalrebellen. Er lebt und arbeitet nicht im Wolkenkuckucksheim, sondern regiert eine Kommune. Das heißt, er muss sich tagein-tagaus mit den ganz handfesten Problemen des menschlichen Zusammenlebens auseinandersetzen. Und natürlich weiß er auch, dass es nicht so gut ankommt, die Polizei wegen einer Lappalie zu rügen, nachdem wenige Tage zuvor in Berlin zwölf Menschen tot auf dem Pflaster lagen und ein paar Dutzend Verletzte in den Krankenhäusern nicht sicher sein können, dass ihr Leben je wieder so sein wird wie es vor dem Anschlag war. In diesem Moment also, da alle nun nach mehr Polizei und konsequenterem Handeln rufen, den Vorwurf wegen des bösen Nafri-Wortes aufzubringen und dazu die Frage, ob die Polizei in der jüngsten Kölner Silvesternacht womöglich überreagiert habe, nachdem sie ein Jahr zuvor zu wenig getan hatte – das grenzt an politischen Selbstmord. Ein Realist wie Boris Palmer hat das sofort begriffen. Sein Geist ist beweglich.

Die altgrünen Reflexe leben weiter

Simone Peter aber zeigte, bevor sie zurückrudern musste, nichts als die von den grünen Altvätern überkommenen Reflexe. Polizisten sind Bullen, der Staat ist böse, der Staat ist ein Bullenstaat. Ein bildschönes Beispiel für die Hartnäckigkeit von Ideologien, was allemal bedeutet: die Wirklichkeit nicht zur Kenntnis zu nehmen und davon auszugehen, dass sie sich, egal was passiert, nach den Vorstellungen und Plänen eines erdachten und festgefügten Systems richtet.

Wehe, wenn die Vertreter solcher Lehren einen massenhaften Charakter annehmen und politische Macht erringen. Was da als Menschheitsbeglückung beginnt, endet stets in der Hölle. Das liegt am Wahrheitsanspruch, der mit Ideologien verbunden ist, ob sie sich nun religiös, rassistisch, politisch oder pseudowissenschaftlich fundiert geben. Der Andere, der Ungläubige, der Dissident ist auf alle Fälle des Teufels und gehört vernichtet. Er stellt sich ja gegen die Wahrheit, leugnet eine Offenbarung, lästert Gott. Immer wieder quillt in der Geschichte der Menschheit so etwas hoch und hinterlässt schließlich ein Schlachtfeld mit unendlich vielen Toten, nicht zuletzt, weil sich hinter dem verheißungsvollen Gedankengebäude auch handfeste Interessen verstecken.

Sittenwächtertum in der Politik

So blutgetränkt geht es bei den ideologisch begründeten Auseinandersetzungen in demokratischen Gesellschaften eher selten zu. Aber was anderes als eine natürlich auch mit Interessen unterfütterte Ideologie steckt dahinter, wenn die Republikaner in den USA nun Obamacare zurückdrehen? Wenn also die Reichen den Millionen Armen die Krankenversicherung wieder wegnehmen, weil nach amerikanischem Gründungs-Credo der einzelne seines Glückes Schmied ist und nicht der Staat?

Dagegen sind ideologische Kleinkriege à la Simone Peter natürlich Peanuts. Aber es verstößt doch gegen den freiheitlichen Geist, wenn ein Sittenwächtertum in die Politik einsickert, das mit gerunzelter Stirn und erhobenem Zeigefinger die Bevölkerungsmehrheit darauf hinweist, was sich schickt, was man sagt, was nicht, welche Gruppen auch sich möglicherweise diskriminiert fühlen könnten. Und weil man mit solchen Rügen, mit dekorativer Betroffenheit plötzlich im Fokus der Öffentlichkeit steht, ist das alles ziemlich populär.

Eiferer am Werk

Wie sonst käme Simone Peter auf ihren völlig ungerechtfertigten Nafri-Vorwurf? Wie sonst käme Elisabeth Scharfenberg – auch eine Grüne – auf den geradezu perversen Gedanken, die Krankenkassen sollten für Sexdienste bei Pflegebedürftigen bezahlen? Und wie sonst erhielten die Belange von LSBTTQ, also lesbisch, schwul, bi, transgender, intersexuell, queer etc. im Berliner Koalitionsvertrag von Rot-Rot-Grün ein Gewicht, als gäbe es in der Hauptstadt kaum andere Probleme?

Da sind Eiferer am Werke. Leute mit einem Brett vor dem Kopf. Möge der Wähler verhindern, dass sie die freiheitliche Gesellschaft demnächst im Bund mit ihrer Weltsicht zu missionieren versuchen.