Die bösen Buben dieser Welt ins All, die Bundeskanzlerin zur Rednerschule und einige christliche Oberhirten ins Lutherseminar – davon träumt unsere Kolumnistin Sibylle Krause-Burger.

Stuttgart - Später Nachmittag. Die Kerzen brennen auf dem Adventskranz. Von draußen schaut schon die Nacht neugierig in unser Wohnzimmer. Drinnen ist es wohlig warm. Im Glas funkelt ein Gewürztee. Der Duft von Zimtstäbchen und Tannennadeln regt mich zum Träumen an und versetzt mich in ein privates Delphi, umhüllt von zauberischen Weihnachtsdämpfen. Und plötzlich, wie könnte es anders sein, tauchen Wünsche aus dem Nebel auf – unerfüllte und fast vergessene, neue, noch zu erfüllende und, ja, am Ende sogar ein paar politische, wovon ich nun singen und sagen will.

 

Natürlich kommt mir als erstes das Elend der Welt in den Sinn, und ich befehle eine eiserne Riesenhand in meinen Traum. Von oben herab greift sie ins Geschehen auf unserem Planeten, pflückt godzillagleich ein paar sehr ungute Leute heraus und setzte sie weit weg auf dem Schweif eines Kometen wieder ab. Da reiten sie dann durchs Weltall, müssen sich krampfhaft festhalten, um nicht in die unendlichen Tiefen zu stürzen, bis ihre Zeit abgelaufen ist. Nicht ohne eine gewisse Genugtuung sehe ich unter diesen Verdammten den größenwahnsinnigen Herrn Erdogan, den Schlächter Assad, den Kriegstreiber Putin und den bald mächtigsten Mann auf dem Globus, den gefährlich unberechenbaren Donald Trump. So gleiten sie dahin. Möge es noch lange währen, damit Friede herrsche auf Erden.

Nachdem ich die Arbeit am Weltgeschehen erledigt habe, wende ich mich den heimischen Problemen zu. Ich schließe die Augen, fahre fort mit dem Ausgestalten meiner erwünschten Wirklichkeit und bin - wo auch sonst? – gleich bei der mächtigsten Person im Lande, bei der Kanzlerin. In meinem Wunschtraum befreie ich sie von der Gewohnheit, zu wichtigen Angelegenheiten – in der Uckermark mag das ja angehen! – dieses dunkelgrüne, schlecht geschnittene Jägerjankerl anzuziehen. Auch verordne ich ihr einen Friseur, der die Misere mit den klebrigen Nackenhaaren endlich in den Griff bekommt. Und ich schicke sie zu Joachim Gauck in die Rednerschule. Immer dieses: sie werde einen Beitrag leisten und wir müssten unsere Werte hochhalten. Werte und Beitrag. Beitrag und Werte. Das ist ihr Om Mani Padme Hum, das kann doch niemand mehr hören, und schlimmer: es kann sich niemand etwas darunter vorstellen. Darf‘s also bitte ein bisschen genauer sein? Sonst wird das nämlich nichts mit der Union im kommenden Wahljahr.

In meinem Wunschtraum gibt Angela Merkel endlich auch zu, mit ihrer Flüchtlingspolitik einen Fehler gemacht zu haben; zudem gesteht sie ein, dass nicht nur ihr prekärer Deal mit der Türkei, sondern vor allem die von ihr kritisierte Schließung der Balkanroute den Zustrom verringert hat. Weil sie das alles nicht länger verschleiert, klappt es nun auch mit dem Seehofer Horst, diesem aufsässigen Kerl, gleich viel besser. Und vielleicht hört man ihr nach so viel Aufrichtigkeit auch wieder zu.

Ich sehe, ich spüre meine liebe Liberalen

Aber noch ist es ja nicht so weit, und deshalb wäre ich jetzt fast – grad sah ich die ewige Herrscherin auf dem Bildschirm – über dem Gleichklang ihrer Sätze eingeschlafen. Nur ein erneutes, intensives Schnuppern an den Tannenzweigen macht mich wieder munter und gaukelt mir noch dieses und jenes Traumbild vor. Und wer taucht da unverhofft aus dem Nebel meiner Wünsche matt schimmernd und flackernd auf? Welches schon verloren geglaubte Kind kehrt heim? Halleluja, es ist die FDP. Ich ahne, ich sehe, ich spüre meine lieben Liberalen.

Leider sind sie nicht mehr, was sie mal waren. Aber das können sie ja durchaus wieder werden, haben sie doch in Deutschland Geschichte gemacht, haben schon im 19. Jahrhundert die Gedanken der Freiheit voran getrieben und eine bedeutende Rolle gespielt, haben uns auch große Persönlichkeiten wie Theodor Heuss, Reinhold Maier und den geschickten Allzweckminister Hans Dietrich beschert. Sie waren das Zünglein an der Waage, das den demokratischen Machtwechsel ermöglichte; sie standen für good gouvernance in Bonn und Berlin. Jetzt fehlen sie im Deutschen Bundestag. Deshalb wünsche ich Ihnen in meinem vorweihnachtlichen Traum einen satten Zuschlag aus dem Topf jener Prozente, welche viele Wähler bei zurückliegenden Landtagswahlen leichtfertig der unsäglichen AfD geschenkt haben.

Ein wahrhaft frommer Wunsch steigt in mir auf

Was noch soll auf meinen politischen Gabentisch? Ach ja, ein gewisses Verständnis für die Grenzen der Toleranz auch in einer toleranten Gesellschaft. Wenn Anne Will sich in ihrer Talkshow mit einer vollverschleierten Islamistin unterhält, die auch noch für sich Reklame machen darf, dann ist das kein Zeichen von Liberalität, sondern von Selbstentwürdigung einer Moderatorin, die ihr Gesicht zeigt, aber gegen ein Stück Stoff ansprechen muss.

Und so delphisch-adventig wie mir zumute ist, steigt zum Schluss noch ein wahrhaft frommer Wunsch in mir auf. Unsere ranghöchsten Kirchenherren beider christlichen Konfessionen, sollten sie noch einmal nach Jerusalem reisen, die Stadt wo Jesus Christus gekreuzigt worden ist, mögen sich dort bitte ihrer Amtskreuze nicht entledigen. Das taten sie jedoch im Oktober, weil es von den Vertretern anderer Religionen für das Betreten der heiligen Stätten gewünscht worden war. Aber es wurde ja niemand gezwungen, diese Heiligtümer zu besuchen. Man hätte draußen bleiben können. So aber haben sich die hohen Hirten ausgerechnet in Jerusalem einer Judas-Tat schuldig gemacht. Dem Martin Luther wäre das nicht passiert.