Eine Kandidatin, die rassistische Ressentiments schürt, macht die Linke unwählbar, meint unsere Kolumnistin Katja Bauer

Macht Sahra Wagenknecht als Spitzenkandidatin die Linkspartei unwählbar? Ja, wenn man nicht vorhat, seine Stimme einer Partei zu geben, deren Frontfrau auf der Suche nach Wählerstimmen rassistische Ressentiments schürt. Wann immer sich die Fraktionsvorsitzende zur Flüchtlingspolitik der Bundesregierung äußert, stellt sich die Frage, ob hier vielleicht aus Versehen gerade eine Vertreterin des rechten politischen Randes im Parlament oder auf dem Talkshowsessel sitzt.

 

Wagenknecht nutzt zwar eine etwas feinere Wortwahl als politische Grobschmiede vom Schlage des AfD-Europaabgeordneten Markus Pretzell. Der bezeichnete die Opfer des islamistischen Terroranschlages vom Berliner Breitscheidplatz als „Merkels Tote“ – zu einem Zeitpunkt, als noch nicht mal die Gräber ausgehoben waren. Bei Sahra Wagenknecht klingt es etwas gesetzter, wenn sie zwei Wochen später von einer „Mitverantwortung“ der Bundesregierung spricht und den Anschlag in den Zusammenhang mit der „unkontrollierten Grenzöffnung“ vom Sommer 2015 stellt. Es ist allerdings nicht weniger falsch und nicht weniger pauschal als die Kriminalisierung einer kompletten Bevölkerungsgruppe. In diesem Fall verbreitet Wagenknecht zudem noch bewusst die Unwahrheit, denn inzwischen ist völlig klar, dass der Terrorist Anis Amri eben vor der kritisierten Grenzöffnung eingereist war, die Sicherheitsbehörden hatten ihn auf dem Schirm. Die Wahrheit aber schert Wagenknecht hier nicht, genauso wenig wie die mittlerweile heftige Kritik aus den eigenen Reihen. Die Linie verfolgt sie schon seit etlichen Monaten.

Wagenknecht will Wäher zurückgewinnen

Sie will Wähler zurückgewinnen, die der Linkspartei in Scharen weggelaufen sind – zur AfD an den rechten Rand des Parteienspektrums. Das ist erst einmal ein legitimes Anliegen, mit dem die Linke nicht allein ist. Alle Parteien müssen den Druck der Wählerwanderung zur Kenntnis nehmen – und bei allen, vielleicht mit Ausnahme der Grünen, führt das zu populistischen Wanderungen an die Ränder, die viele bis vor Kurzem nicht für begehbar hielten. Das kann man beklagen, muss aber dann mehrheitsfähige Alternativen finden. Wagenknecht erklärt jedoch, ihre Partei sei als einzige anders als die Etablierten – damit schafft sie eine weitere Analogie zur Argumentation der AfD und benennt eine Schnittmenge der Wähler.

Die Fraktionschefin argumentiert, sie wolle die erreichen, die „aus Frust über die bisherige Politik“ AfD wählten, auch wenn sie deren Position nicht „unbedingt“ gut fänden. Und schon hat der Zweck ihr die Mittel geheiligt. Man weiß nicht, welche Begründung man für diese Strategie schlimmer finden soll: Entweder handelt Wagenknecht unmoralisch, weil sie Bedrohungsgefühle schürt und Rassismus entgegen dem vorgeblichen Grundkonsens der Partei salonfähig macht, quasi als Wählerexkulpierung – ihr dürft ruhig ein bisschen rumhetzen, solang ihr in unserem roten Salon sitzen bleibt. Oder sie steht politisch dahinter. Dies würde zum Beispiel bedeuten, dass sie es genau so demokratiediffamierend meint wie Leute, die von „links-grün-versifften Milieus“ reden, wenn sie auf ihrer Website darüber abstimmen lässt, ob dies hier ein guter Wahlslogan wäre: „Weg mit den Politik-Gangstern! Wählt Sahra für eine ehrliche Politik!“ Beides bedeutet in jedem Fall: Eine Linke, die in diesem Wissen ihre Spitzenkandidatin nominiert, spielt deren Spiel im vollen Bewusstsein mit.

Vorschau
Am kommenden Dienstag, 17. Januar, schreibt unsere Kolumnistin Sibylle Krause-Burger.