Kandeh Yumkella aus Sierraleone zieht die Menschen durch seine Sprache in den Bann – was für ein Gegensatz zu den deutschen Politikern in Rio.

Rio de Janeiro - Rio+20 ist natürlich eine völlig spaßfreie Sache. Die Minen sind ernst, das Thema ist traurig, und das Ergebnis ist vielleicht zum Lachen, aber nicht wirklich lustig. Wenn Peter Altmaier, der deutsche Umweltminister, in seinen auf Englisch gehaltenen Reden die Kanzlerin erwähnt, dann sagt er immer „Angela Mörkel“, und das ist eigentlich schon das Spaßigste an Rio+20.

 

Wenn Kandeh Yumkella ans Rednerpult springt – er geht nicht, er schreitet nicht, sondern er springt -, dann schauen die Zuhörer schon mal auf. Was der Sierraleoner zu sagen hat, ist inhaltlich auch überhaupt nicht lustig, aber wie er es sagt! Yumkella ist der Direktor von Unido, einer UN-Organisation, die sich der Förderung der Industrie verschrieben hat. Man ahnt, dass das keine besonders wichtige Organisation sein kann, denn entweder gedeiht die Industrie, dann braucht sie die UN nicht, oder sie gedeiht nicht, dann kann die UN auch nicht viel machen.

Auf dem Podium, auf das Yumkella springt, wird die Energiewende verhandelt. Genauer gesagt, was die Welt von der deutschen Energiewende lernen kann, und am Ende natürlich auch, was die Welt bei den deutschen Energiewendern einkaufen kann. Yumkella könnte Statistiken über Statistiken über Energieverbrauch in Afrika vorlesen. Nicht dass es seinem Vortrag an Zahlen gefehlt hätte – er beginnt mit der Bemerkung, 2008 sei der Lebensstandard-Index in seinem Land der weltweit niedrigste gewesen -, aber vor allem tut er eines: Er erzählt, und das überzeugt mehr als Zahlen.

Er schildert lebhaft und witzig, wie, als er Student war, die Mensa aus einem großen Topf mit Holzscheiten darunter bestand. Wie er später als Minister oft bei Kerzenlicht gearbeitet hat, wie in den Hospitälern in Sierra Leone manchmal das Licht mitten in der Operation ausgeht, wie halbe Ernten verrotten, weil der Strom zum Kühlen fehlt, und er pustet ins Mikrophon, um vorzumachen, wie die afrikanischen Kinder ins Feuer blasen und sich die Augen mit dem ewigen Rauch verderben: „Ich sage Ihnen, Energiemangel ist schlimmer als Malaria!“ In Windeseile malt er das Katastrophen-Szenario eines verwüsteten Afrikas aus, weil alles Feuerholz eingeschlagen ist. „Was sollen wir dann machen?“, fragt er feixend seine Zuhörer, und die feixen zurück, „ist doch klar, wir wandern alle aus, und zwar nach Europa, das liegt am nächsten!“

Es ist banal und trotzdem immer wieder erstaunlich: Wie ungleich die Fähigkeit der Menschen verteilt ist, ihre Mitmenschen durch Sprache in den Bann zu ziehen, sie zu erheitern, sie zu überzeugen, sie mitzureißen. Dirk Niebel, der Bundesminister für wirtschaftliche Entwicklung, wird heilfroh gewesen sein, dass er vor und nicht nach Yumkella dran war. Er hat eine kreuzbiedere Rede zum Thema vorgetragen, so wie sie jeder seiner Vorgänger seit Walter Scheel hätte halten können. In geschliffenem Englisch übrigens. Niebel würde nie Mörkel sagen.