Es genügt nicht, nur den schönen Schein des Bonatz-Baus zu bewahren, meint Lokal-Redakteur Martin Haar zum Umbau der Empfangshalle des Stuttgarter Hauptbahnhofs.

Stuttgart - Mit dem Bild einer Stadt und der Architektur verbindet sich viel. In vermeintlich toten Steinen lebt die Erinnerung weiter – an gute und an schlechte Tage. Auf dem Vergangenen bauen Menschen ihre Gegenwart und schließlich ihre Zukunft auf. Und in Steinen lebt mitunter auch die Ausnahmeleistung der jeweiligen Baumeister exemplarisch fort.

 

Im Falle des Hauptbahnhofs geht es um die Leistung von Paul Bonatz. Sein Wurf ist stadt- und kulturprägend. Nicht nur viele Nostalgiker und Romantiker sind daher der Meinung, dass bereits der Abriss der beiden Bahnhofseitenflügel einen Frevel an seiner Architektur darstellt. Bereits in diesem Fall hat der Denkmalschutz eine fragwürdige Rolle eingenommen.

Investoren bestimmen die Richtung

Gleiches gilt nun. Die Denkmalschützer sind offenbar der Ansicht, dass es genügt, die Fassade des Bonatz-Baus zu erhalten. Doch diese Ansicht ist ein Etikettenschwindel. Außen hui, innen pfui. Es genügt nicht, den schönen Schein zu wahren. Das ist Denkmalschutz light.

Zumal im Inneren des Baus das verwirklicht wird, was immer größere Teile der Stadtgesellschaft kritisieren: Die Investoren bestimmen, wo es langgeht. Sie haben der Stadt das Heft des Handelns entrissen und entwickeln längst ganze Quartiere nach ihren Bedürfnissen.

Der Bonatz-Bau verliert durch seinen Umbau nicht nur Licht und Luft. Durch die neuen Ebenen verliert die Bahnhofshalle ihren ursprünglichen Charakter. Zudem wird es kein öffentlicher Raum mehr sein. Ein weiteres Einkaufscenter und ein weiteres Hotel verdrängen Menschen von einem Ort, der für jeden bislang jederzeit zugänglich ist. Auch das ist ein herber Verlust.