Stuttgart hat schon weit mehr Flüchtlinge aufgenommen, als dies heute der Fall ist. Das Thema ist aber langsam von der politischen Agenda verschwunden. Ein Kommentar von Mathias Bury.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Anfang der 90er Jahre haben in Stuttgart zeitweise bis zu 15 000 Flüchtlinge gelebt, Menschen, die in den Wirren des Balkankrieges hier Schutz gesucht haben. Damals mussten in der Stadt sogar Turnhallen zu Notunterkünften umgewidmet werden, nur so konnte man der großen Zahl an Neuankömmlingen kurzfristig eine Zuflucht bieten.

 

Es ist durchaus angebracht, gegenwärtig an diese Zeit zu erinnern. Denn wie andernorts steigt auch in der Landeshauptstadt die Zahl der Flüchtlinge wieder, nachdem dieses Thema lange Jahre von der politischen Agenda verschwunden war.

Schon seit einiger Zeit sucht die Verwaltung händeringend nach Unterkünften, bis jetzt bei aller Schwierigkeit immer wieder mit einigem Erfolg. Dass diese Bemühungen in einer Stadt, die nicht für großflächige Wohnungsleerstände bekannt ist, bald an Grenzen stoßen würde, war absehbar.

Im kommenden Jahr ist es nun soweit: nachdem man Schritt für Schritt und durchaus in moderatem Tempo Standorte aufgelöst hat, müssen neue Flüchtlingsheime gebaut werden. Anders kann die Stadt ihrer Aufnahmepflicht für Asylsuchende nicht mehr gerecht werden.

Es wird sich zeigen, wie die Reaktionen der Bürger ausfallen, wenn erst die Standorte für die neuen Einrichtungen bekannt gegeben werden. Es wäre nicht ungewöhnlich, wenn sich an der einen oder anderen Stelle auch Unmut regen würde.

In der aktuellen Lage sollte man aber stets zurückblicken auf die frühen 90er. Und man sollte bedenken: Die Integrationskraft, welche die Landeshauptstadt und ihre Bürger in den vergangenen Jahrzehnten gezeigt haben, gehört zu den besten Qualitäten Stuttgarts.