Die jüngsten Minuszahlen von Amazon haben die Geduld der Aktionäre offenbar zu sehr strapaziert. Stößt das Expansionsmodell des Online-Riesen an seine Grenzen? Für eine Antwort ist es zu früh – und zu Schadenfreude besteht kein Anlass, schreibt StZ-Redakteur Andreas Geldner.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Amazon verbrennt Geld, als sei dies das Normalste der Welt. In der selben Woche lässt Facebook mit einem satten Gewinnsprung die Aktionäre jubeln. Twitter sucht noch verzweifelt nach einem soliden Geschäftsmodell. Und Google marschiert mit soliden Zahlen unaufhaltsam voran. Vier große Namen aus der Online-Sphäre – vier Welten.

 

Eines muss man diesen US-Firmen lassen: Sie haben in den vergangenen Jahren den Umgang mit Renditeerwartungen neu definiert. Der Amazon-Gründer Jeff Bezos verfolgt seit zwanzig Jahren im wahrsten Sinn des Wortes ohne Rücksicht auf Verluste seine Visionen. Dass er bisher seine Aktionäre bei der Stange halten konnte, ist fast ein Wunder. Es ist viel zu früh zu sagen, ob sein manchmal größenwahnsinniges Konzept nun ins Wanken gerät. Von der Börse geprügelt zu werden, ist dafür kein Indiz. Der Facebook-Gründer Mark Zuckerberg kann ein Lied davon singen. Sein Unternehmen wurde sogleich in Grund und Boden geschrieben, weil nach dem Börsengang 2012 die Aktien abstürzten. Doch die Aktionäre, die damals hartnäckig an das Entwicklungspotenzial geglaubt haben, sind heute obenauf.

Nein, die Online-Tycoons aus den USA haben nicht, wie sie es in ihrer Arroganz manchmal glauben, den Kapitalismus völlig neu definiert. Aber ihre Firmen haben es mit ihren so unterschiedlichen Expansionsstrategien ermöglicht, im Internetzeitalter das Thema Unternehmensentwicklung neu zu denken. Enorme Risiken und die Gefahr des Scheiterns gehören dazu. In einer manchmal kleinlichen, an Quartalszahlen fixierten Wirtschaftswelt, in der sich auch in Deutschland zu viele Unternehmenschefs allein an kurz- bis mittelfristigen Renditezielen festkrallen, wünscht man sich manchmal ein paar solcher Visionäre wie Jeff Bezos.

Seine Firma hat unser Leben verändert. Sie hat auf knallharte Weise die Spielregeln im Handel umgekrempelt. Amazon hat von Lagermitarbeitern bis zu Buchhändlern dabei auch Menschen unter die Räder kommen lassen – und muss sich zu Recht der Kritik daran stellen. Insofern wird mancher das jüngste Schwächeln schadenfroh verfolgen. Doch aus Verbrauchersicht kann man nur hoffen, dass die Amazon-Geschichte noch lange weitergeht.