ZF will die US-Firma TRW übernehmen und damit zum drittgrößten Automobilzulieferer der Welt aufsteigen. Dieser Plan birgt aufgrund der Unterschiede der beiden Unternehmen große Risiken, kommentiert Inge Nowak.

Stuttgart - Für den Auto- und Technologiestandort Deutschland ist es eigentlich eine gute Nachricht. Am Bodensee entsteht einer der größten Zulieferer weltweit mit einem Umsatz von 30 Milliarden Euro und 138 000 Beschäftigten. Die neue ZF befindet sich damit auf Augenhöhe mit Bosch, Conti und dem japanischen Denso-Konzern. Doch es ist nicht nur ein Wachstumsschub, von dem ZF durch die Übernahme des US-Konkurrenten TRW profitieren wird, es ist vor allem auch ein Technologieschub. Bisher war das Friedrichshafener Stiftungsunternehmen, dessen Hauptgeschäft Getriebe und Fahrwerke sind, bei Zukunftsthemen wie autonomes Fahren oder Fahrerassistenzsysteme eher schwach aufgestellt. Gemeinsam können ZF und TRW auch hier zu weltweit führenden Unternehmen wie eben Bosch und Conti aufschließen. Und Wettbewerb war schon immer ein guter Nährboden für Innovationen – was dem gesamten Standort Deutschland zugutekommt.

 

ZF und TRW ergänzen sich. Es gibt kaum Produktüberschneidungen, nachdem ZF die gemeinsame Tochter ZF Lenksysteme in Schwäbisch Gmünd an Bosch abgegeben hat. Auch regional ist es eine Bereicherung. Die neue ZF macht in Wachstumsregionen wie Nordamerika und China einen (Umsatz-)Sprung. Um ihre Arbeitsplätze müssen sich die Beschäftigten keine großen Sorgen machen. Ist es also die ideale Verbindung, die ZF und TRW eingehen?

Unterschiedliche Unternehmenskultur

Nicht ganz. Bevor die neue ZF Erfolgsgeschichte schreiben kann, sind einige Hürden zu nehmen. Eine davon heißt Unternehmenskultur. ZF ist ein Stiftungsunternehmen, das zwar auch Geld verdienen muss, in dem die Rendite aber keine so entscheidende Rolle spielt wie bei der börsennotierten TRW. Während Begriffe wie Nachhaltigkeit durchaus im Vokabular von ZF vorkommen und auch die Beschäftigten eine besondere Bedeutung haben, wird das TRW-Geschäft von Analysten mit Argusaugen verfolgt. Der kurzfristige Erfolg, gemessen an Quartalsberichten, ist bei dem börsennotierten US-Unternehmen das Maß aller Dinge. Diese Gemengelage birgt durchaus Sprengstoff.

Hier taucht die zweite Hürde auf: Die Integration von TRW wird nicht einfach zu meistern sein. Der US-Konzern ist gemessen am Umsatz nur unwesentlich kleiner als ZF. Es wird nicht reichen, dass die Chefs der Unternehmen das Geschäft eingefädelt haben, die Mitarbeiter müssen es mit Leben erfüllen. Sie müssen miteinander und nicht gegeneinander arbeiten. Die Leistungsträger müssen bleiben und nicht neue Karrierechancen suchen. Beharrungstendenzen gerade in mittleren Führungsebenen haben schon so manche hochgelobte Fusion zum Scheitern gebracht. Doch wenn die Beschäftigten nicht miteinander können (Hürde Nummer drei), werden auch die erhofften technologischen Erfolge zunächst ausbleiben. Deshalb ist die Gefahr, dass ZF technologisch erst einmal mit angezogener Handbremse unterwegs ist, nicht zu vernachlässigen.

Die Pläne sind kein Selbstläufer

Großen finanziellen Spielraum dürften die Friedrichshafener künftig auch nicht mehr haben. Das Geschäft über zehn Milliarden Euro sei konservativ finanziert, betont zwar ZF-Chef Stefan Sommer – dies mag sein, aber dennoch schnellen die Schulden zunächst in die Höhe. Und die Rückzahlung muss das Stiftungsunternehmen aus eigener Kraft schaffen. Und wenn dann eine Krise kommt? Oder weiteres technologisches oder regionales Wachstum finanziert werden muss?

Die ZF-Pläne, vorausgesetzt, das Kartellamt stimmt zu, sind kein Selbstläufer. Es gibt Risiken. Aber nicht minder groß sind die Chancen für das Unternehmen selbst und den gesamten Standort Deutschland. Künftig wird es drei Weltunternehmen geben – so schnell wird daran kein ausländischer Konkurrent und auch kein Autohersteller vorbeikommen.