Boris Johnson gehört nun zu denen, die auf der Strecke geblieben sind bei den politischen Intrigen in Großbritannien, kommentiert unser Korrespondent Peter Nonnenmacher.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

London - Boris Johnson wird nun also nicht britischer Premierminister. Er tritt nicht zur Wahl um den Tory-Vorsitz an. Der Londoner Ex-Bürgermeister und landesweit populärste Politiker Großbritanniens, der sich selbst als den ungekrönten König der Konservativen Partei betrachtete, ist an einem Morgen dramatischer Entwicklungen einfach so aus dem Spiel gekegelt worden. Jahrelang hatte „Boris“ auf diesen Sommer des Umbruchs, auf seine Krönung, hingearbeitet. Jetzt ist ihm die Krone aus den Händen gefallen. Andere, eilfertige Rivalen, bücken sich danach.

 

Wenig Vertrauen in den Ex-Bürgermeister

Den Kollaps all der Johnson-Träume hat ausgerechnet Johnsons engster Partner im Brexit-Feldzug, der Justizminister Michael Gove, besorgt an diesem Morgen. Gove hatte noch bis zur Vorwoche erklärt, er selbst sei ungeeignet als Kandidat. Dann änderte er seine Meinung, weil er seinen Mitstreiter Johnson plötzlich als Führungsfigur nicht mehr für kompetent hielt. Diese Erklärung brachte bereits spürbaren Unmut in der Tory-Fraktion mit Johnson zum Ausbruch. Immer mehr Abgeordnete hatten sich in den letzten Tagen über Johnsons Wackelkurs in Sachen Europa gewundert. Immer weniger hatten sie ihm zugetraut, Großbritannien wirklich aus der EU führen zu wollen. Er würde sich nicht an den Referendums-Beschluss halten, fürchteten die Brexit-Befürworter. Johnson habe von Anfang an gar keinen Austritt gewollt. Die für so viele EU-Gegner zentrale Frage der Zuwanderung suchte er zu entschärfen, und er pochte darauf, dass Großbritannien „immer in Europa sein“ werde.

Goves unerwartete Kandidatur, und vor allem dessen Begründung, brachten Johnson auf spektakuläre Weise zu Fall. Wie es nun weiter geht, bleibt abzuwarten. Die Fraktion muss der Parteibasis zwei Namen zur Auswahl nennen. Wenn kein weiteres Wunder passiert, müssten das die Namen von Gove (Anti-EU) und von Innenministerin Theresa May (ehedem Pro-EU) sein. Spekuliert wird auch schon darüber, ob sich May und Gove auf ein gemeinsames Ticket verständigen könnten, um den Wahl-Prozess abzukürzen. Boris Johnson aber, vor sechs Tagen noch strahlender Sieger, gehört nun zu denen, die auf der Strecke geblieben sind bei diesen politischen Intrigen. Kaum zu fassen, dass dieses heute brutal zurechtgestutzte Ego den Brexit-Sieg überhaupt erst möglich gemacht hat.