Cem Özdemir will den Schwung der Südwest-Grünen als Spitzenkandidat für die Bundestagswahl nutzen. Doch spielt seine Partei da mit?

Stuttgart/Berlin - Dass Cem Özdemir nun seinen Hut für die Spitzenkandidatur zur Bundestagswahl in den Ring wirft, ist logisch, folgerichtig – und höchste Zeit. Seit fast acht Jahren steht der „anatolische Schwabe“, wie er sich selbst nennt, an der Spitze der Bundes-Grünen und prägt damit maßgeblich ihren Kurs mit. Will er nicht als Prinz Charles in die Parteiannalen eingehen, muss er diesen Führungsanspruch endlich auch für die wichtigste Wahl in Deutschland anmelden. Ansonsten würde der Stuttgarter Bundestagsabgeordnete unglaubwürdig und als Parteichef eine „lame duck“.

 

Dass Özdemir springt, hat aber vor allem mit den aktuellen Umständen zu tun. Während die Grünen im Bund noch immer vergeblich auf das Ende der Depression warten, in die der Wähler sie 2013 gestürzt hat, zeigt die Partei im Südwesten gerade, wozu sie fähig ist – vorausgesetzt, sie hat konsequent die bürgerliche Mitte im Blick und dazu den passenden Kandidaten. Das beflügelt. Özdemir ist zwar kein zweiter Winfried Kretschmann, aber die pragmatisch-realpolitischen Überzeugungen sind vergleichbar. Wäre er Spitzenkandidat, würde er die Grünen wohl noch weiter kompatibel zur CDU machen – als Alternative zu deren bisherigem Koalitionspartner SPD.

Eine ganz andere Frage ist freilich, ob seine Partei da mitspielt. Zwar zollt auch die Parteilinke den Baden-Württembergern zurzeit viel Lob für deren Wahlerfolg. Doch ganz geheuer ist vielen dieser Weg nicht – auch jenseits der umstrittenen Entscheidungen in der Flüchtlingspolitik. Zumindest werden die Grünen bei der Urwahl darauf achten, die geplante Doppelspitze auch mit Blick auf die politischen Inhalte paritätisch zu besetzen. Bleibt es dabei, dass als Kandidatin allein Katrin Göring-Eckardt antritt, die dem Realo-Flügel zugeordnete wird, könnte es für den Realo Özdemir eng werden.