Chinas Präsident Xi Jinping ist zu Besuch in Berlin. Deutschland muss, bei aller Kritik, die enge Kooperation mit den Regenten in Peking suchen, meint StZ-Autor Thomas Maron.

Berlin - Die deutsche Außenpolitik kreist derzeit aus naheliegenden Gründen um die Frage, wie weit Russlands Präsident Wladimir Putin in Osteuropa gehen will, um seinen Geltungsanspruch zu befriedigen. Mindestens so kompliziert zu gestalten ist jedoch das Verhältnis zu China, einem Land, das aus der Ferne im Vergleich zu Russland von vielen als Hort der Stabilität wahr genommen wird. Dieser uns noch immer so fremde Riese ist für die Entwicklung in Deutschland von entscheidender Bedeutung und uns deshalb schon jetzt viel näher, als viele es hierzulande wahr haben wollen.

 

Chinas Wachstum sichert Tausende Arbeitsplätze. Im Vergleich dazu ist die wirtschaftliche Abhängigkeit von Russland überschaubar. Es ist deshalb wichtig, dass die Bundesregierung international ihren Blick nicht verengt und den Beziehungsfaden zu China weiter spinnt. Es ist legitim und geboten, den chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping wegen der Repressionen in China zu kritisieren. Aber an Gesprächen führt gleichwohl kein Weg vorbei.

Was hat den Vorrang: Werte oder Interessen?

Deutschland steht, ähnlich wie im Umgang mit Russland, vor einem altbekannten Dilemma: dem Widerspruch zwischen werte- und interessengeleiteter Außenpolitik. Denn die Stabilität Chinas, die in Deutschland Wohlstand absichert, wird noch immer erzwungen durch autoritäre, brutale Strukturen, verteidigt von einem Staatsapparat, der den Freiheitswillen von Minderheiten unterdrückt und das Recht, seine Meinung sagen zu können, zur Farce verkommen lässt.

In Deutschland können aber auch jene kein Interesse an einem Zerfall des Riesenreichs haben, die zu Recht gegen das Gebaren der Staatsmacht protestieren. Deshalb ist die Kooperation ein moralisch nicht einwandfreies aber alternativloses Instrument. Die aufstrebende Weltmacht muss sich gewaltigen ökonomischen, ökologischen, sozialen und demografischen Herausforderungen stellen. Vor diesem Hintergrund ist die erfolgversprechendste Methode nicht, China im Stile eines Oberlehrers westliche Prinzipien zu diktieren. China wird sich auch nicht beraten lassen, wenn Hilfe mit der Gönnerpose westeuropäischer Besserwisser angeboten wird.

Das Prinzip Nichteinmischung

Angesichts der chinesischen Handelsbilanz, der Devisenreserven und der Bevölkerungszahl wäre das ohnehin so, als würde der Schwanz mit dem Hund wackeln. Am meisten Wirkung dürfte erzielen, wer der Staatsführung in Peking begreiflich macht, dass Rechtsstaatlichkeit, soziale Standards und Freiräume für ein aufgeklärtes Bürgertum keine Träumereien ist, sondern probate Mittel zur Lösung drängender Probleme.

Merkel tut auch deshalb gut daran, mit Peking im Gespräch zu bleiben, weil China außenpolitisch in Krisenregionen wie in Syrien, Iran und auch in der Ukraine zaghaft beginnt, laufen zu lernen und das Prinzip der Nichteinmischung nicht mehr absolut setzt. China hat dabei die Wahl, geostrategisch in viele Richtungen zu driften. Europa sollte, wenn es seinen Einfluss waren will, da nicht im Windschatten landen.