Die Europäische Union hat sich neue Klimaziele gesetzt. Aber dieser kleinste gemeinsame Nenner ist zu klein, um beim Klimaschutz der Antreiber zu sein, kommentiert StZ-Korrespondent Christopher Ziedler.

Brüssel - Das Positive soll nicht unterschlagen werden. So war vor dem EU-Gipfel nicht klar, ob man sich überhaupt einig wird. Zu verschieden schienen die Interessen von Energiewende-Deutschland, Atomstrom-Großbritannien und Kohle-Polen. Und ein bescheidenes Ergebnis ist für den Kampf gegen den Klimawandel besser als keines. Es ist auch kein Selbstläufer, bis 2030 den Ausstoß des Klimakillers Kohlendioxid um 40 Prozent zu reduzieren – in den drei Jahrzehnten vom Referenzjahr 1990 bis zum aktuellen Zieldatum 2020 werden 20 Prozent erreicht. Die EU-Spitzen lügen also nicht, wenn sie es „ambitioniert“ nennen, in einem Drittel der Zeit das Doppelte zu schaffen. Zumal dies aus eigener Kraft geschehen muss und nicht mehr über oft fragwürdige Kompensationsgeschäfte mit Entwicklungsländern.

 

Gemessen an der Größe des Problems jedoch ist der kleinste gemeinsame Nenner zu klein. Längst ist klar, dass sich die Menschheit auf eine wärmere Erde einstellen muss, es geht darum, den Temperaturanstieg zu begrenzen, damit die Folgen irgendwie beherrschbar bleiben. „Nur“ zwei Grad mehr im Jahr 2050 sind angepeilt, wobei auch dieses Szenario angesichts des explosiven Wirtschaftswachstums in China, Indien & Co. in Gefahr ist.

Die alten Industrieländer müssten Vorbild sein

Im Hinblick auf die Pariser Weltklimakonferenz im nächsten Jahr, auf der ein globales Abkommen vereinbart werden soll, hätten die Europäer stärker in Vorleistung gehen müssen. Nicht weil die elf Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes, die aus der EU kommen, entscheidend sind – sondern weil die Schwellenländer nur mitmachen, wenn die alten Industrieländer ihre Verantwortung für den Ist-Zustand anerkennen und mit gutem Beispiel vorangehen. Dazu taugt das Ergebnis nur begrenzt.

Besonders schwach fällt der Konsens zu erneuerbaren Energien und zum Energiesparen aus. Hier mutiger zu handeln wurde angesichts der derzeitigen Konjunkturflaute als zu teuer angesehen, das Risiko höherer Strompreise für die Industrie als zu hoch. Das mag auf den ersten Blick verständlich erscheinen, wo doch Geld für Gebäudedämmungen, Subventionen für den Kauf umweltfreundlicher Autos oder die Förderung von Sonne- und Windkraft knapp ist. Aber es bleibt kurzsichtig.

Es fehlen konkrete Unterziele für die Nationalstaaten

Die Branche der Umweltinnovationen, zuletzt Jobmotor, wird damit ausgebremst. Die Hoffnung von Kanzlerin Merkel, das CO2-Sparziel werde die Energiewende quasi von allein nach sich ziehen, könnte sich als Trugschluss erweisen und damit enden, dass der Atomstrom einen zweiten Frühling erlebt. Die mehr als großzügigen Ausnahmeregeln für Osteuropas Kohlekraftwerke sind ebenfalls kein gutes Zeichen. Ärgerlich auch, dass die im Zuge der Ukrainekrise erhobenen Forderungen nach mehr Energieunabhängigkeit von Moskau als Sonntagsreden entlarvt wurden. Deutlich weniger Energie zu verbrauchen wird nicht ernsthaft versucht. Hier hat auch die verzerrte Debatte über die ach so bürokratischen EU-Richtlinien zu Staubsaugern und Kaffeemaschinen nachgewirkt.

Nun muss man noch froh sein, wenn die wenig ehrgeizigen Zielmarken beim Energiesparen und den Erneuerbaren überhaupt erreicht werden. Zwar soll der Anteil von Sonne, Wind und Biomasse EU-weit verbindlich auf diesen Wert steigen – doch fehlen konkrete Unterziele für die Einzelstaaten, deren Nicht-Einhaltung sanktionierbar wäre. Nationale Aktionspläne sollen es richten. Die EU-Kommission hat nun die undankbare Aufgabe, im bevorstehenden Gesetzgebungsverfahren auf der vagen Grundlage der Staats- und Regierungschefs ein Minimum an Verbindlichkeit in die Sache zu bringen. Beim Energiesparen gibt es gar nur einen unverbindlichen Richtwert.

Die scheidenden EU-Chefs Van Rompuy und Barroso haben den Klimadeal ihr schönstes Abschiedsgeschenk genannt. Es hätte größer ausfallen müssen.