Der Daimler-Aufsichtsrat hat den Vertrag von Konzernchef Zetsche nur um drei Jahre verlängert. Das Zeichen ist klar, die Nachfolgediskussion hat begonnen, meint StZ-Wirtschaftsressortleiter Michael Heller. Allerdings fehle dem Konzern eine klare Linie.

Stuttgart - Die Überraschung ist perfekt. Der Daimler-Aufsichtsrat, der in der Diskussion über die Strategie des Konzerns bisher stets ein Weiter-so präferiert hat, setzt Akzente. Ganz an der Spitze des Unternehmens bleibt vorgründig betrachtet alles wie bisher. Der neue und alte Vorstandschef heißt Dieter Zetsche. Die Kontrolleure haben seinen Vertrag aber nur um drei Jahre verlängert. Einen weiteren Vertrag, das ist klar, wird es nicht geben, denn Zetsche feiert bald den 60. Geburtstag. Zuletzt hatte es Signale gegeben, dass der Chef ebenso wie der nur ein Jahr jüngere Forschungsvorstand Thomas Weber wieder mit Fünfjahresverträgen ausgestattet würden. Das Umdenken im Aufsichtsrat jetzt ist richtig und wird dem Konzern womöglich viel Geld ersparen.

 

Zetsche verbleiben noch fast vier Jahre, seine Mission zum Erfolg zu bringen. Das ist viel Zeit, wenngleich die Herausforderungen gewaltig sind. „Das Beste oder nichts“ heißt in Anlehnung an Firmengründer Gottlieb Daimler der Wahlspruch des Konzerns. Und Zetsche hat das in der Weise in Ziele übersetzt, dass Daimler die Konkurrenz von BMW und Audi sowohl beim Gewinn als auch beim Absatz distanzieren will – und beim Qualitätsanspruch natürlich ohnehin.

Zetsche musste seinen Produktionschef opfern

Wer alle Ziele auf einmal erreichen will, und das womöglich noch mit geringerem Personaleinsatz oder erhöhtem Arbeitstempo, der nimmt in Kauf, dass sich in der Belegschaft Frustration breitmacht und keine Aufbruchstimmung entsteht. Viele Beschäftigte bei Daimler haben den Eindruck, dass mit markigen Ankündigungen – die dann oft trotz aller Anstrengungen nicht eingehalten werden – die Finanzmärkte und nicht die Kunden beeindruckt werden sollen. Es sind auch einfach nicht die Botschaften, die Begeisterung in einem Unternehmen wecken, das immerhin das Automobil erfunden hat.

Die Strategie, eher auf dem Rücken der Belegschaft statt mit ihr Richtung Zukunft zu fahren, ist offensichtlich gescheitert. Das belegen die weiteren Entscheidungen des Aufsichtsrats. Zetsche musste seinen Produktionschef Wolfgang Bernhard opfern, um den eigenen Stuhl zu retten. Dem 52-Jährigen sind seine rustikalen Methoden beim Umbau der Fabriken zum Verhängnis geworden – zum zweiten Mal. Vor neun Jahren verlor er gar seinen Vorstandsjob, nun wechselt er nur das Ressort, kümmert sich künftig um Nutzfahrzeuge.

Die Konzernführung hat ein Nachwuchsproblem

Dass die Handschrift der Eigentümer beim Zustandekommen der Entscheidungen nicht erkennbar ist, fügt sich in die – schlechte – Tradition bei Daimler. Immerhin nehmen die Arbeitnehmervertreter ihre Verantwortung wahr. Vor dem Hintergrund wirkt es eher hilflos, wie der Konzern den Eindruck zu erwecken versucht, als handele es sich um einen intelligenten Coup: Der bisherige Lastwagenmann Andreas Renschler sammelt (weitere) Erfahrungen im Personenwagengeschäft, und Bernhard macht es umgekehrt. Mit diesen beiden, so suggeriert der Aufsichtsratsvorsitzende Manfred Bischoff, habe Daimler dann zwei Topmanager mit Expertise im gesamten Automobilbereich, die als Favoriten gelten dürfen, sofern schnell ein Zetsche-Nachfolger gebraucht wird. Viele Vorschusslorbeeren erhält auch der neue Chinachef Hubertus Troska, der gerade erst seit ein paar Wochen im Vorstand sitzt.

Das Tableau zeigt, dass der Konzern an der Spitze auch ein Nachwuchsproblem hat. Gewiss ist es in einem großen und weit verzweigten Unternehmen wie Daimler wichtig, Stallgeruch zu haben. Aber es ist lange, sehr lange her, dass ein Topmanager mit anderswo erworbenen Meriten bei Daimler nach oben kam. Der einstige Conti-Chef Helmut Werner war in den achtziger Jahren der letzte. Dieser frische Wind fehlt dem Konzern. Seit gestern richtet sich der Blick auf die Zeit nach Zetsche. Das Rennen um die Nachfolge hat begonnen.