Der „Whistleblower“ Edward Snowden kämpft um sein öffentliches Bild – vor allem in seiner Heimat. Aber eine Rückkehr in die USA bleibt für ihn auf absehbare Zeit ausgeschlossen, kommentiert der StZ-Politikchef Rainer Pörtner.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Stuttgart - Viele Amerikaner – der US-Präsident Barack Obama zählt dazu – halten Edward Snowden für einen Verräter. Für einen Kriminellen, der seinem Vaterland schweren Schaden zugefügt hat. Für einen ehemaligen Mann des US-Sicherheitsapparats, der mit seinen Enthüllungen über das weltweite, nahezu uneingeschränkte Spionieren des Geheimdienstes NSA die Sicherheit vieler Amerikaner in Gefahr gebracht hat.

 

Am Donnerstagabend hat Snowden aus seinem russischen Exil heraus einen erneuten Versuch gemacht, diese Deutung zu widerlegen. In einem anderthalbstündigen Internet-Chat hat er sich dargestellt als wahrhaftiger Patriot, der sein Land durch die Offenlegung illegaler und illegitimer Ausspähpraktiken zurück auf den rechten Weg führen will. Mit dem Satz „Nicht jede Spionage ist böse“ widersprach Snowden auch allen, die ihn als Umstürzler, als politischen Revoluzzer verunglimpfen. Dieser „Whistleblower“ ist kein Feind der amerikanischen Geheimdienste, sondern ein Aufklärer. Er will diese Organisationen nicht abschaffen, sondern ihre Datensammelwut eindämmen. Dafür gebührt ihm eigentlich Dank, nicht strafrechtliche Verfolgung.

In seiner Washingtoner Rede zur NSA hat Obama vor wenigen Tagen den Namen Snowden nicht in den Mund genommen. Aber jeder verstand, wen der Präsident meinte, als er sich beklagte, öffentliche Enthüllungen geheimer Dokumente seien doch überflüssig. Wer aus den Diensten heraus auf Missstände hinweisen wolle, könne dies doch auf dem Dienstweg tun. Diese Worte waren zynisch. Auch Snowden hat, wie er berichtet, zunächst intern auf Verfassungsbruch und illegale Aktivitäten hingedeutet. Aber keiner seiner Kollegen oder Vorgesetzten hat etwas unternommen. Wäre er aus den USA heraus an den Kongress herangetreten, wäre ihm auch daraus ein Strick gedreht worden.

Snowden sitzt weiter in der Falle. Seit Juli 2013 hält er sich in Russland auf, sein Asyl-Jahr läuft in diesem Sommer aus. Bisher hat er kein Asyl in einem anderen Land gefunden und der Weg in die USA bleibt verstellt. Zwar hat der US-Justizminister Eric Holder angekündigt, er sei offen für eine Lösung des Falles Snowden und wolle mit dem „Whistleblower“ das Gespräch suchen. Aber es bleibt dabei: wenn Snowden in die USA zurückkehren würde, müsste er mit einer sehr, sehr langen Gefängnisstrafe rechnen. Die Zusicherung Holders, der Geheimnisverräter werde nicht mit dem Tode bestraft und müsse auch keine Folter befürchten, wird Snowden nicht reichen. Er bleibt, auf absehbare Zeit, ein Mann auf der Flucht.