Um seine Macht zu sichern, geht der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in einen Mehrfrontenkampf mit dem IS und den Kurden, kommentiert Rainer Pörtner.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Stuttgart - Aus deutscher Perspektive ist der Islamische Staat gegenwärtig die größte Gefahr im Nahen Osten. Die Perspektive des türkischen Präsidenten ist eine ganz andere: Recep Tayyip Erdogan fürchtet vor allem das Entstehen eines zusammenhängenden, von Kurden kontrollierten Gebietes in Syrien und im Irak. Dieses könnte der Zellkern eines Kurdenstaates werden, dem sich irgendwann auch kurdisch geprägte Gebiete der Türkei anschließen wollen – für Erdogan ein Horrorszenario. Zudem strebt der Präsident im eigenen Land Neuwahlen an. In der letzten Wahl hat seine AKP die absolute Mehrheit verloren, weil die prokurdische HDP die Zehnprozenthürde übersprang. Seitdem hat die AKP keine Koalitionsmehrheit für eine neue Regierung bilden können. Dies untergräbt die Autorität des Präsidenten.

 

Mit Militärschlägen, die sowohl gegen den IS wie die kurdische PKK im Irak gerichtet sind, sowie der offiziellen Aufkündigung des türkisch-kurdischen Friedensprozesses versucht Erdogan seine Macht nach innen und außen zu sichern. Es ist eine kurzsichtige und extrem gefährliche Strategie. Von nun an ist Erdogan in einem Mehrfrontenkampf: gegen den IS, gegen die Kurden jenseits und gegen die Kurden diesseits der türkischen Grenze. Es wird noch mehr Blutvergießen geben – und noch weniger Hoffnung auf Frieden.