Der türkische Regierungschef Erdogan setzt in der Syrienfrage die guten Beziehungen seines Landes zu Russland aufs Spiel, meint StZ-Redakteur Thomas Thieme.

Ankara - Für seinen „besonnenen Kurs“ im Grenzkonflikt mit Syrien hat der deutsche Außenminister seinen türkischen Amtskollegen am Wochenende gelobt und ihn dazu aufgefordert, diesen Kurs beizubehalten. Westerwelles Worte waren nichts anderes als die verbrämte diplomatische Formel für: „Haltet euch bloß zurück!“ Doch genau diese Zurückhaltung legt der türkische Premier Tayyip Erdogan gerade schneller ab, als Westerwelle „Mäßigung“ sagen kann. Dabei geht Erdogan weder behutsam noch abwägend vor, sondern mit voller Kraft und ohne Rücksicht auf alte Freundschaften. Mit dem Regime in Damaskus hat er längst gebrochen. Nun riskiert er auch die guten und für sein Land wichtigen Beziehungen zu Moskau.

 

Schritte wie die Sperrung des Luftraums für den syrische Flugzeuge, die Demonstration militärischer Stärke an der syrischen Grenze und die Drohung mit Vergeltungsmaßnahmen kosten nicht viel. Weitaus höher ist Erdogans Einsatz dagegen bei seinem diplomatischen Frontalangriff gegen den Kreml, stehen doch mühsam aufgebaute Verflechtungen in Politik und Wirtschaft auf dem Spiel. Doch der Türke ist fest entschlossen, den russischen Präsidenten auf internationaler Bühne als Waffenknecht Assads bloßzustellen, auf dass sich Putin vom Despoten abwendet. Dieses Ziel ist ehrenwert, aber leider wenig realistisch.