Zwei Forschungsprojekte aus der Computertechnologie erhalten jeweils eine Milliarde Euro. Das hat die EU entschieden. Lohnt sich die Investition? Das lässt sich vorher schwer sagen, meint Alexander Mäder. Daher sollte die EU auch nicht zu viel erwarten.

Stuttgart - Zwei Jahre, nachdem die Amerikaner auf dem Mond gelandet waren, setzten sie sich ein neues Ziel: den Krebs zu besiegen. 250 Forscher entwickelten auf 40 Tagungen einen Plan, Ende 1971 unterschrieb der damalige US-Präsident Richard Nixon das Krebsgesetz. Das Krebsforschungsinstitut arbeitete einen Fünfjahresplan aus, der Etat wurde angehoben. Doch der erwünschte Erfolg blieb aus: Nicht alle wissenschaftlichen Herausforderungen lassen sich lösen, indem man viele helle Köpfe mit viel Geld ausstattet.

 

Trotzdem versucht es nun die EU wieder. Sie hat zwei Projekten aus der Computertechnik jeweils eine Milliarde Euro versprochen. Verglichen mit anderen Projekten ist das zwar nicht viel: für das geplante europäische Riesenteleskop ELT wird ebenfalls eine Milliarde Euro veranschlagt, der Teilchenbeschleuniger LHC in Genf hat alles in allem vier Milliarden Euro gekostet und der europäische Beitrag zum Fusionsreaktor Iter liegt schon bei mehr als sechs Milliarden Euro.

Ein wenig Mut gehört zur Wissenschaft dazu

Und doch ist es so, als würde die EU zwei Firmen mit je tausend Mitarbeitern gründen, die sich nun zehn Jahre einer Aufgabe widmen. In einem Projekt sollen mit dem Material Graphen neue elektronische Bauteile hergestellt werden. In dem anderen wird ein Teil des Gehirns detailgetreu am Computer nachgebaut. Die EU will den IT-Konzernen aus den USA etwas entgegensetzen – und wer wollte bestreiten, dass Computer die Zukunft prägen werden?

Die sechs Finalisten haben daher viel Arbeit in ihre Bewerbungen gesteckt. Die Anträge sind mehrere Hundert Seiten lang, und die Forscher wurden tagelang von Nobelpreisträgern und anderen renommierten Gutachtern befragt. Dagegen war das Ausarbeiten des Krebsplans in den 70er Jahren eine vergleichsweise überschaubare Aufgabe. Und auch Bewerber, die nun nicht zum Zug kommen, berichten, dass der Wettbewerb Kollegen zusammengebracht und das Fachgebiet belebt habe.

Doch die Projekte sind riskant. Es ist zwar möglich, dass den Hirnforschern manches klar wird, wenn sie mit einem virtuellen Gehirn experimentieren können, aber vielleicht bleiben sie auch mit einem undurchdringlichen Datensalat zurück, weil die Simulation die Funktionsweise des Gehirns noch nicht im Kern erfasst. Das Projekt mit dem Material Graphen wirkt im Vergleich dazu zwar bodenständig, doch muss man sich fragen, ob der Zusammenschluss zahlreicher Hochschulen, Institute und Firmen am Ende wirklich mehr ergibt als tausend Einzelprojekte über jeweils eine Million Euro.

Die EU hat sich bewusst für das Risiko entschieden, und ein wenig Mut gehört in der Wissenschaft dazu. Doch die Enttäuschung ist so gut wie programmiert, denn die EU verknüpft die großzügige Förderung mit übertriebenen Erwartungen: Die Bewerber mussten nicht weniger als einen wissenschaftlichen Durchbruch versprechen, der sich zudem wirtschaftlich verwerten lässt. Durchbrüche lassen sich aber nicht kaufen, das hat das US-amerikanische Krebsprogramm gezeigt. Manchmal ist die Natur komplizierter als gedacht.