Die Entdeckungen auf der Baustelle des Durchgangsbahnhofs für Stuttgart 21 im Mittleren Schlossgarten häufen sich. Auch wenn die Bahn archäologischen Schwergang befürchten mag, müssen jetzt Experten an die Baugruben, meint StZ-Redakteur Thomas Durchdenwald.

Stuttgart - Die Funde auf dem Gebiet zwischen dem Hauptbahnhof und dem Planetarium sind eine Folge der S-21-Bauarbeiten für den Bahnhofstrog. Dennoch sollte die Antwort auf die Frage, wie mit den Entdeckungen umzugehen ist und welche Folgerungen daraus zu ziehen sind, nicht davon abhängen, ob man Befürworter oder Gegner des umstrittenen und milliardenschweren Großprojekts ist. Auch wenn manch ein Experte hinter vorgehaltener Hand vermutet, dass die vergleichsweise geringen archäologischen Auflagen politischem Einfluss geschuldet sind. Doch grundsätzlich gilt: Die Öfen und Steinplatten wären auch ans Tageslicht gekommen, wenn dort ein Einkaufszentrum oder die Technikräume für ein Schwimmbad gebuddelt worden wären.

 

Das Gedächtnis der Stadt

Die von Experten schon immer bezweifelte Annahme, im Schlossgarten seien nur unbedeutende Zufallsfunde zu erwarten, lässt sich nach der Serie der Entdeckungen nicht mehr halten. Dort schlummern Überreste, die Zeugnis ablegen können über die frühe Entwicklung Stuttgarts. Sie zu finden, sollte nicht allein dem Zufall und aufmerksamen Bauarbeitern überlassen werden. Die Arbeiten sollten nun unter ständiger Beobachtung von Fachleuten ablaufen, die Funde einordnen, bergen und interpretieren können. Selbst wenn die unter Zeitdruck geratene Bahn archäologischen Schwergang befürchten mag, sollten Land und Stadt ihre Zurückhaltung aufgeben und massiv auf ein solches Vorgehen drängen. Denn es geht um nichts weniger, als um das Gedächtnis dieser Stadt. Die Chance, es zu sichern, kann ernsthaft niemand ungenutzt verstreichen lassen.

„Wer nicht um seine Herkunft weiß, hat auch keine Zukunft“: diesen Satz von Golo Mann zitiert der frühere Ministerpräsident Erwin Teufel gerne. Recht hat er, der S-21-Befürworter.