Hilfsgelder allein helfen den hoch verschuldeten Griechen nicht. Ein zweiter Schuldenschnitt rückt näher, meint StZ-Korrespondent Gerd Höhler.

Athen - In Griechenland schließt sich ein Kreis. Die Krisendebatte kehrt zu jenem Ausgangpunkt zurück, an dem sie vor drei Jahren begann: der Staatsverschuldung. Zwei Rettungspakete wurden für Griechenland bereits geschnürt. 240 Milliarden Euro stehen bereit, wovon bisher fast 150 Milliarden ausgezahlt wurden. Aber viel bewirkt haben die Gelder nicht. Die Hilfe hilft nicht. Das Land hat seit Beginn der Krise fast ein Fünftel seiner Wirtschaftsleistung verloren. Während jeden Tag rund 200 Handels- und Handwerksbetriebe in die Insolvenz gehen und durchschnittlich 900 Menschen ihre Jobs verlieren, rutscht das Land noch tiefer in die Schuldenfalle.

 

Ende dieses Jahres werden die Staatsschulden rund 165 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) erreichen – so viel wie vor dem Schuldenschnitt vom Frühjahr. Nach einer Hochrechnung der Ratingagentur Fitch wird die Schuldenquote im kommenden Jahr 176,2 Prozent erreichen und Ende 2014 sogar 180,2 Prozent. Nichts verdeutlicht die Absurdität des gegenwärtigen „Rettungskonzepts“ deutlicher als diese Zahlen. Immer neue Hilfsgelder werden nach Griechenland überwiesen, aber in der Wirtschaft des Landes und bei den Menschen kommt nur ein kleiner Teil davon an. Rund 70 Prozent der Hilfskredite dienen vielmehr dazu, Zinsen zu finanzieren und fällige Kredite zu tilgen.

Griechenland muss runter von den Schulden

Die Antwort kann deshalb nicht allein in weiteren Hilfsgeldern liegen. Sie bürden dem Land nur neue Schulden auf. Die damit verbundenen Belastungen machen alle Bemühungen um eine Konsolidierung der Staatsfinanzen und eine Wiederbelebung der gelähmten Wirtschaft zunichte. Griechenland muss deshalb vor allem runter von den Schulden. Griechenlands Schuldentragfähigkeit nachhaltig zu sichern, das war bereits das Ziel des Schuldenschnitts vom März dieses Jahres, bei dem die privaten Gläubiger – also Banken, Versicherungen, institutionelle Investoren, aber auch Kleinanleger – auf 53,5 Prozent ihrer Forderungen verzichten mussten.

Aus heutiger Sicht ist dieser Hair-Cut ein Schulbeispiel dafür, wie man es nicht machen sollte. Er war politisch motiviert: Mit der Beteiligung des Privatsektors (PSI) wollte vor allem die Bundesregierung die Bereitstellung weiterer öffentlicher Hilfskredite rechtfertigen. Eine dauerhafte Erleichterung aber hat der Schnitt dem Land nicht gebracht. Griechenlands Staatsschulden sollten um 107 Milliarden Euro gedrückt werden. Tatsächlich belief sich die Netto-Entlastung aber nur auf 36 Milliarden Euro. Dem stehen Verluste der privaten Gläubiger gegenüber, die bis zu 80 Prozent gingen, weil die neuen, beim Schuldenschnitt ausgegebenen Anleihen nur Schrottwert haben. Zudem hat der Hair-Cut an den Finanzmärkten zu einem Vertrauensverlust und einer grundsätzlichen Neubewertung des Risikos von Euro-Staatsanleihen geführt. Das bekommen jetzt andere Krisenstaaten in Form höherer Risikoprämien zu spüren.

Fachleute plädieren für einen zweiten Schuldenschnitt

Griechenland droht unterdessen von der Last seiner Staatsschulden erdrückt zu werden. Immer mehr Fachleute plädieren deshalb für einen zweiten Schuldenschnitt. Diesmal wären vor allem die öffentlichen Gläubiger an der Reihe, deren Forderungen sich auf rund 230 Milliarden Euro oder 75 Prozent der griechischen Staatsschulden belaufen. Hinter den Kulissen gibt es bereits Planspiele, diese Verbindlichkeiten um 30 Prozent abzuschreiben. Wenn man es intelligent anstellt, wären die Kosten eines solchen Schnitts überschaubar. Fachleute schätzen, dass sich mit einer solchen Umstrukturierung die Schuldenquote um 40 Prozent vom BIP drücken ließe. Damit wäre Griechenlands Schuldentragfähigkeit wieder in Reichweite. Zum Nulltarif ist ein solcher Schnitt nicht zu haben. Aber die Alternative wäre über kurz oder lang nur ein Staatsbankrott – und damit ein Totalverlust für die Gläubiger.