Die Nibelungentreue des Iran zu Syriens Diktator Assad könnte zu Ende gehen. Der neue Präsident Rohani scheut den Konflikt mit den Hardlinern im eigenen Land nicht, meint der Nahost-Korrespondent der StZ, Martin Gehlen.

Kairo - Die chemische Qualität des eingesetzten Giftgases Sarin, Bauart, Kennung und Flugbahn der untersuchten Raketen, das Wetter am Morgen des Angriffs, die in den Proben gefundenen Stabilisatoren – sowohl die Laboranalysen als auch die technischen Details im Bericht der UN-Inspekteure legen den Schluss nahe: Verantwortlich für das Giftgasmassaker am 21. August nahe Damaskus ist das syrische Regime. Bisher hat der Iran als engster Verbündeter Syriens in der Region auf die „überwältigenden und unwiderlegbaren Ergebnisse“ sowie die „erschreckende Lektüre“, wie sich UN-Generalsekretär Ban Ki-moon ausdrückte, noch nicht offiziell reagiert. Doch die Absetzbewegungen der neuen Führung unter Präsident Hassan Rohani von Syriens Diktator Baschar al-Assad nehmen zu, ebenso wie die Spannungen zwischen den verschiedenen Machtzentren der Islamischen Republik im Ringen um den künftigen Syrienkurs.

 

Dies wurde offensichtlich, als Rohani jetzt in einer sehr sorgfältig intonierten Rede vor Offizieren der Revolutionären Garden weitere Pflöcke einschlug. Deren Führung, die direkt dem Obersten Revolutionsführer Ali Chamenei untersteht, hatte noch letzte Woche verkündet, man werde Assad „bis zum letzten Atemzug“ verteidigen. Rohani dagegen ließ die Hardliner der Elitebrigaden wissen, sie sollten sich nicht in die Politik einmischen, und Iran werde auch einen anderen Staatschef in Syrien akzeptieren als Assad. „Wen immer die Bürger wählen, ihr Land zu regieren, wir sind damit einverstanden“, erklärte Rohani.

Iran will sein Verhältnis zu den USA verbessern

Seit dem Amtsantritt des neuen Präsidenten und den Giftgasvorwürfen gegen Damaskus treten die widerstreitenden Interessen des Iran in der Syrienkrise immer offener zu Tage. Teheran lehnt den Einsatz von Chemiewaffen kategorisch ab und fordert ein energisches Einschreiten der internationalen Gemeinschaft gegen solche Kriegsverbrechen. Seine Bevölkerung war im irakisch-iranischen Krieg selbst Opfer von Giftgasangriffen Saddam Husseins. Bis heute leiden noch fast 50 000 Menschen an den Spätfolgen.

Zudem möchte die Islamische Republik ihr Verhältnis zum Westen und allen voran zu den Vereinigten Staaten verbessern, ein Ziel, bei dem eine weitere, absolute Nibelungentreue zu Assad nur hinderlich wäre. Nächste Woche reist Rohani zur Vollversammlung der Vereinten Nationen, um in der Außenpolitik seines Landes einen Neuanfang zu setzen. Umgekehrt fühlt sich Iran seinem jahrzehntelangen Verbündeten Syrien verpflichtet, will das Land als Drehscheibe zur Versorgung der Hisbollah-Milizen im Libanon nicht verlieren und befürchtet eine wachsende sunnitische Dominanz in der Region.

Iranische Militärberater arbeiten in Syrien

Aus diesen Gründen hat Iran das syrische Regime bis vor Kurzem noch bedingungslos unterstützt. Teheran lieferte große Mengen an Waffen. Erst im Juli erhielt Damaskus einen neuen Milliardenkredit zum Einkauf von Diesel und Benzin. Die Zahl der iranischen Militärberater ist nach wie vor beträchtlich. Angeblich befinden sich mindestens 4000 Mitglieder der Revolutionären Garden auf syrischem Boden, die aus Assads gefürchteten Milizionären paramilitärische Einheiten bilden sollen.

Erstmals tauchte dazu jetzt ein Video auf, in Ausschnitten gesendet von dem niederländischen Nachrichtenkanal NOS. Ausführlich redet ein iranischer Kommandeur vor der Kamera über seinen Einsatz in der Region Aleppo und das Spezialtraining syrischer Soldaten im Iran. Er bestreitet, dass Syriens Armee gegen die eigene Bevölkerung kämpft, und spricht von einem Konflikt „zwischen Islam und Ungläubigen“. Das Filmmaterial, das die Rebellen erbeuteten, zeigt die uniformierten Iraner auf Kontrollfahrten, in ihrer Unterkunft und zuletzt in heftigen Gefechten mit Assad-Gegnern. Der Kameramann und auch der Kommandeur kamen dabei ums Leben.