Viele Krankenhäuser in Baden-Württemberg stecken tief in den roten Zahlen und müssen subventioniert werden. Doch auf Dauer werden sich die Kommunen defizitäre Kliniken nicht leisten können, meint die StZ-Redakteurin Nicole Höfle.

Stuttgart - Jedes zweite Krankenhaus in Baden-Württemberg schreibt rote Zahlen. In der Region Stuttgart sind es vor allem die Kliniken in kommunaler Trägerschaft, die hohe Verluste einfahren. Jahrelang haben die Landkreise und auch die Landeshauptstadt Stuttgart Millionen aufgebracht, um die Defizite der kommunalen Häuser auszugleichen. Jetzt haben sich viele Kreise in der Region für den Befreiungsschlag entschieden und bauen mit Unterstützung des Landes neue Großkliniken.

 

Jüngstes Beispiel ist der Rems-Murr-Kreis, in dessen neuer Klinik in Winnenden seit Juli Patienten behandelt werden. Ein schönes Beispiel ist aber auch die Stadt Stuttgart, die gerade für fast eine Milliarde Euro ihr städtisches Klinikum zukunftsfähig macht. Andere, wie die Kreise Böblingen und Göppingen, planen neue Krankenhäuser für dreistellige Millionenbeträge.

Es ist eine Baden-Württemberger Besonderheit, dass sich fast 70 Prozent aller Krankenhausbetten in öffentlicher Hand befinden. Schaut man in den Norden Deutschlands, bietet sich ein anderes Bild. In Schleswig-Holstein ist jede zweite Klinik in privater Trägerschaft, in Mecklenburg-Vorpommern jedes zweite Krankenhausbett. Die Erklärung ist einfach: Baden-Württemberg gehört zu den finanzstärksten Ländern und der Raum Stuttgart zu den reichsten Regionen Deutschlands. Hier können sich die Kommunen ihre Kliniken noch leisten – selbst dann, wenn sie Millionendefizite ausgleichen müssen.

Selbst wohlhabende Gemeinden stoßen an Grenzen

In einem von hohem Kostendruck geprägten Gesundheitssystem aber kommen selbst wohlhabende Kommunen an ihre Grenzen. Während andernorts Kliniken privatisiert werden, entscheiden sich die Politiker hier jedoch für teure Neubauten, die von Klinikschließungen begleitet werden. Die Erwartungen, die sich mit den optimierten Bauten verbinden, sind groß. Die Großkliniken sollen mehr Patienten anziehen und eine bessere Kostenstruktur bieten. Die Hoffnung ist, dass die neuen Häuser rasch schwarze Zahlen schreiben.

Angesichts der Millionenzuschüsse verwundert es nicht, dass der Bundesverband der Privatkliniken ausgerechnet in Baden-Württemberg eine Musterklage eingereicht hat. Betroffen ist das Krankenhaus in Calw, dessen Defizite der Landkreis getragen hat. Die privaten Kliniken sehen die öffentliche Subventionierung als Wettbewerbsverzerrung. Tatsächlich kann man die öffentlichen Zuschüsse auch als Abwehrkampf der Kreise gegen die privaten Klinikkonzerne werten. Und den Rechtsstreit der Privaten als Versuch, in Baden-Württemberg den Fuß stärker in die Tür zu bekommen. Im November geht der Streit in die nächste Runde, der Ausgang ist offen.

Der Kostendruck wird weiter steigen

Noch ist das Bekenntnis der Kommunalpolitiker in der Region eindeutig: keine Privatisierung. Sie wollen den Bürgern ein hochwertiges Gesundheitssystem bieten, kontrolliert und gesteuert von der öffentlichen Hand. Deshalb wird nicht nur neu gebaut, es wird zugleich vielerorts an Konzepten für kleine defizitäre Krankenhäuser getüftelt, die dann zum Beispiel eine engere Verzahnung von ambulanten und stationären Strukturen vorsehen.

Aber der Kostendruck im Gesundheitswesen wird weiter steigen, allein schon wegen der demografischen Entwicklung. Mit den Neubauten und ersten Klinikschließungen verschaffen sich die Verantwortlichen Luft, aber irgendwann werden sie wieder vor der Frage stehen: Können wir uns dieses kleine Krankenhaus noch leisten? Dann werden die betroffenen Kommunalpolitiker den Mut haben müssen, die Lage ungeschönt darzustellen. Den Bürgern wiederum muss klar sein: Ein kleines Krankenhaus lässt sich nur dann wirtschaftlich führen, wenn es auch angenommen wird. Eine Klinik vor der Tür zu fordern, im Ernstfall aber schon beim kleinsten Eingriff in die weit entfernte Spezialklinik zu gehen, das passt nicht zusammen.