Die Pleite des Freizeitparks am Nürburgring wird auch für Ministerpräsident Kurt Beck zu einer schweren Belastung. Ob er den Schaden begrenzen und seinen Ruf retten kann, ist zweifelhaft, kommentiert der StZ-Redakteur Michael Trauthig.

Familie, Bildung, Soziales : Michael Trauthig (rau)

Stuttgart - Wird Kurt Beck der Nächste in der Riege trauriger Gestalten, die zu lange an ihrem Amt kleben und die Gelegenheit für einen würdigen Abschied verpassen? Beispiele dafür gibt es schon zu viele. Mal nehmen Dauerregenten wie die Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf oder Edmund Stoiber nicht wahr, dass ihre Landeskinder und die Partei ihrer überdrüssig sind. Mal verschließen affärengeschüttelte Politiker wie Christian Wulff die Augen davor, dass ihr quälender Abgang sie um den letzten Rest an Reputation bringt. Realitätsverweigerung gepaart mit der Angst vor dem Verlust von Privilegien, Einfluss und Ansehen scheint ursächlich dafür, dass sich der Schlussakt des Dramas ewig hinzieht.

 

Dass beim Mainzer Regierungschef ebenfalls trotz der Insolvenz am Nürburgring kein Ende abzusehen ist, hat allerdings noch tiefere Gründe. Die Opposition fordert zwar reflexhaft seinen Rücktritt. Sie trägt so aber nur dazu bei, die Reihen der SPD hinter ihrem Frontmann zu schließen. Der dienstälteste Ministerpräsident der Republik wird seinen Gegnern vorerst nicht den Gefallen tun zu gehen.

Beck will nicht als Pleitier im Gedächtnis bleiben

Erstens entspräche die Flucht aus der Verantwortung nicht seinem Naturell – die Aufgabe des SPD-Bundesvorsitzes speiste sich ja einst vor allem aus dem Gefühl der eigenen Ohnmacht. Zweitens will der gelernte Elektromechaniker keinesfalls als Pleitier im Gedächtnis bleiben. Und drittens erwiese der 63-Jährige seiner Partei einen Bärendienst, wenn er in einer Lage aufgibt, in der weder die Nachfolge geregelt ist noch die Aufräumarbeiten an der Rennstrecke und dem Erlebnispark abgeschlossen sind.

Kurt Beck hat sich gewiss Meriten um sein Bundesland und seine Partei erworben. Er hat die ehemalige konservative Hochburg zu einem wirtschaftlich erfolgreichen Stammland der SPD entwickelt und in unterschiedlichen Koalitionen stabil regiert. Er galt zu Recht als bodenständig, solide und glaubwürdig. Auch dass Beck in der armen Eifel ein Investment für einen ambitionierten Freizeitpark gewagt hat – das schon von der Natur der Sache her stets ein Risiko beinhaltet – , kann man ihm nicht vorwerfen.

Tollkühnen Visionen widerstehen

Andere Landespolitiker haben ähnlich Strukturpolitik betrieben und sind mit ihren Prestigeprojekten gescheitert. Manfred Stolpe hat einst am Lausitzring an einer internationalen Rennstrecke gebastelt und Millionen versenkt. In Erfurt fließt weiter viel Steuergeld in einen unrentablen Flughafen, und in Hamburg wird die Elbphilharmonie auch immer teurer. Jeweils ist es billig, es im Nachhinein besser zu wissen. Schwieriger ist da schon, solchen Desastern vorzubeugen, rechtzeitig zu warnen und sich der Kraft tollkühner Visionen zu entziehen.

Beck mag sich so trösten, in schlechter Gesellschaft zu sein. Seinen Ruf rettet das aber natürlich nicht. Dafür muss er vor allem den Schaden für das Land begrenzen. Ob ihm das gelingt, ist zweifelhaft. Und er muss die Dinge endlich rücksichtslos aufklären. Politische Affären entfalten ihre Sprengkraft ja oft nicht durch die Fehler am Beginn, sondern durch das folgende Krisenmanagement. Warum haben aber Beck und seine Mannschaft so lange auf die Fabel-Prognosen über angebliche Besuchermassen des Freizeitparks vertraut? Warum haben sämtliche Kontrollinstanzen versagt? Warum haben die Mainzer die Dinge noch schön geredet, als die Katastrophe längst absehbar war? Zudem steht die auch juristisch brisante Frage im Raum, ob die Regierung die landeseigene Förderbank zu einer unverantwortlichen Kreditvergabe gedrängt hat. Kommen bei dieser Aufklärung noch Ungereimtheiten heraus, trifft Beck weitere Fehlentscheidungen, dann wird ihm auch seine Popularität nicht mehr helfen. Die Folge wäre ein schändlicher Abgang. Den hätte „König Kurt“ wegen seiner Lebensleistung zwar nicht verdient, aber letztlich selbst zu verantworten.