Im öffentlichen Nahverkehr in der Region Stuttgart liegt derzeit einiges im Argen. Doch die Politik streitet um Kompetenzen und blockiert Verbesserungen. Das ist nicht der richtige Weg, kommentiert unser Autor Thomas Durchdenwald.

Stuttgart - Früher funktionierte Verkehrspolitik nach einem einfachen Prinzip: Zuerst wurde geplant, dann wurde gefeilscht und gefordert – und irgendwann einmal gab es das nötige Geld vom Bund oder vom Land. Dann durften der Herr Landrat und die Abgeordneten nach getaner Bauarbeit zur Einweihung schreiten und ihr Foto in der Zeitung bewundern. Dieses Prinzip hatte einen Nachteil, der sich unabhängig von der Farbe der jeweiligen Regierungspartei republikweit beobachten lässt: Gebaut wurde nicht immer dort, wo es am nötigsten war; gebaut wurde dort, wo am lautesten geschrien und wo der Abgeordnete den besten Draht ins Ministerium hatte. Warum wohl sitzt die Regionalpartei CSU wie eine Glucke auf dem Bundesverkehrsministerium: Hier wird manches bayerisches Projekt ausgebrütet.

 

Diese Logik ist auch hierzulande noch weit verbreitet. Sie ist im Landtag zu hören, aber auch im regionalen Verkehrsausschuss, wenn just die Freien Wähler, die sich sonst als Sparkommissare gerieren, einfach mal so zig Millionen Euro für neue Straßen und Schienen fordern. Dazu passt, dass die Landräte, Busunternehmer und ihre Sprachrohre in diesen Tagen das Landesverkehrsministerium kritisieren, weil es die Unverschämtheit begeht, nicht mehr Geld auszugeben als es hat.

Dieses Geschrei überdeckt mitunter nur die Unfähigkeit, selbst eine Lösung zu finden. Dies gilt gerade in der regionalen Verkehrspolitik, in der so vieles im Argen liegt – vom täglichen Stau über verspätete S-Bahnen bis hin zu Rekordwerten an Luftverschmutzung. Doch statt sich dieser Aufgaben kraftvoll und gemeinsam anzunehmen, streiten die Akteure in der Region mit einer schon absurden Ausdauer immer wieder und immer aufs Neue um die Verteilung von Geld und Kompetenzen in einem an sich geschlossenen System des Nahverkehrs in der Region. Daraus hat sich längst ein nur noch von Experten zu durchschauender Dschungel von gegenseitigen Abhängigkeiten und Geldflüssen ergeben. Daran sind alle beteiligt– die Landeshauptstadt, die Kreise, die Verkehrsunternehmen und der Verband Region Stuttgart.

Realistische Ziele

Offenbar gibt es jetzt erstmals Chancen, diese Lähmung zu überwinden, auch wenn eine Einigung momentan nicht viel mehr ist als ein Silberstreifen am Horizont. Verbunden wäre diese Lösung mit wirksamen, auch kurz- oder zumindest mittelfristig umsetzbaren Verbesserungen für die Fahrgäste. Sie mögen zwar nicht so spektakulär sein wie neue Schienenstrecken, sie sind aber realistisch zu erreichen – gerade in finanzieller Hinsicht.

Wollen die Verantwortlichen in den Rat- und Kreishäusern den drohenden Verkehrsinfarkt in der Region in den Griff bekommen, will der Stuttgarter Oberbürgermeister auch nur annähernd die von ihm versprochene 20-prozentigen Senkung des Autoverkehrs erreichen, will der Verband einen besseren Nahverkehr – dann müssen sie jetzt die Kraft zum Kompromiss aufbringen. Wenn sie diese Chance, die so schnell nicht wiederkommen wird, nicht nutzen, weil sie nur die eigenen Kompetenzen im Blick haben, dann fällt die Region nicht nur verkehrlich zurück: Die Beteiligten reißen auch die Latte mit der Aufschrift „verantwortliche Politik“.