Die Entscheidung ist gefallen: Hamburg soll Olympia nach Deutschland holen. Bei intelligenter und transparenter Planung wären die Spiele ein Gewinn für Deutschland, kommentiert Sport-Redakteur Tobias Schall.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Stuttgart - Die Deutschen wollen Olympische Spiele. Zumindest sind die Werte in dieser großen Frage eindeutig: Die Zustimmung bewegt sich bundesweit je nach Barometer zwischen zwei Dritteln und drei Vierteln. Wie das heute so ist bei Großprojekten sind darunter aber auch viele Jasager getreu des „Not in my back yard“-Prinzips: Olympia wäre toll, aber bitte nicht vor meiner Haustür. Diese Vorbehalte gibt es auch in Hamburg, sie sind aber geringer als in Berlin. Und deshalb bekommt die Hansestadt den Zuschlag.

 

Es gibt ja zweifellos gute Gründe, Großereignisse zu hinterfragen. Das umstrittene Gebaren der großen Organisationen wie des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) und des Fußball-Weltverbandes Fifa zum Beispiel. Oder die Belastung der Bevölkerung im Zuge der baulichen Maßnahmen. Und man kann grundsätzlich fragen, ob die Milliarden an anderer Stelle nicht sinnvoller eingesetzt wären.

Spiele könnten einmalige Gelegenheit sein

Schätzungen zufolge kostet Olympia im Schnitt mehr als 15 Milliarden Euro. Über die genauen Kosten gibt es noch keine belastbaren Zahlen – und das wird auch leider bis zum finalen Hamburger Bürgerentscheid im September so bleiben. Sicher ist: es wird immer teurer als vorher behauptet. Doch das Geld ist gut investiert – wenn es richtig gemacht wird. Zum einen darf man nicht vergessen, dass Olympia Milliarden-Einnahmen generiert, etwa über Tickets, Sponsoring, Übernachtungen et cetera. Zum anderen werden Projekte angeschoben, die über Olympia hinaus eine Stadt weiterentwickeln können. Die Spiele verursachen also nicht nur Kosten, sondern können vor allem einen Nutzen haben. Das ist die große Chance.

Wer Olympische Spiele intelligent konzipiert, bleibt nicht auf einer Herde „weißer Elefanten“ sitzen, wie die für Großereignisse gebauten und danach ungenutzten Sportanlagen genannt werden. Wer nachhaltig plant, verwertet eine städtebauliche Jahrhundertchance. München hat sie bei den Sommerspielen 1972 genutzt und profitiert bis heute von der damals gebauten Verkehrsinfrastruktur (Autobahnen, U-Bahn, S-Bahn). Auch Barcelona hat mit den Spielen 1992 vorgemacht, welch unschätzbarer Nutzen Olympia für die Stadtentwicklung hat. Die Spiele würden Hamburg im Falle der erfolgreichen Kampagne eine einmalige Gelegenheit bieten. Olympia ermöglicht Investitionen in die Infrastruktur, die es sonst vielleicht nie geben würde.

Ein Leuchtturmprojekt für den kriselnden Leistungssport

Es gibt natürlich auch viele Negativbeispiele in der olympischen Geschichte, aber das ist kein zwingender Grund gegen eine Bewerbung. Deutschland kann beweisen, dass es sich Großereignisse zutraut und es in der Lage ist, Olympische und Paralympische Spiele zu veranstalten, deren Kosten nicht explodieren und die nachhaltig sind. Wie positiv sich ein sportliches Großereignis auf ein Land auswirken kann, hat die Fußball-WM 2006 gezeigt: Die WM hat das Ansehen Deutschlands in der Welt maßgeblich und nachhaltig verbessert.

Für den kriselnden deutschen Leistungssport ist das Ziel Olympia das dringend benötigte Leuchtturmprojekt. Die sportliche Konkurrenzfähigkeit ist fraglos nicht das größte Problem dieser Nation, aber eine Investition in den Sport ist eine Investition in einen wichtigen gesellschaftlichen Bereich. Zwei Drittel gaben 2011 in einer Umfrage an, stolz auf Erfolge deutscher Athleten zu sein. Und: allen Skandalen zum Trotz bescheinigen 93 Prozent erfolgreichen Athleten eine Vorbildfunktion. Namen wie Dirk Nowitzki, Philipp Lahm oder Steffi Graf stehen für Leistung, Fairplay und Integrität – für all das also, was uns als Gesellschaft an Werten wichtig ist. Das ist ein Wert des Sports und von Olympia, der sich nicht in einer Kosten-Nutzen-Rechnung erfassen lässt.

Deutschland ist im Rennen um die Spiele 2024 Außenseiter. Aber es ist gut, dass das Land den Mut hat, sich zu bewerben.