Ostern ist das höchste Fest in der katholischen Kirche, es steht für die grundlegende Frage nach Tod und Leben. Papst Franziskus hat darauf eine klare Antwort gefunden, meint der StZ-Korrespondent in Rom, Paul Kreiner.

Rom - Als Papst Franziskus am Gründonnerstag vergangenen Jahres vor zwölf Strafgefangenen niederkniete, sich bis zum Boden beugte und ihnen die Füße wusch, konnte er anschließend fast nicht mehr aufstehen. Der Rücken wollte nicht mitmachen, die Hüfte nicht; die ganze Prozedur, wie erst später herauskam, schmerzte fürchterlich. Trotzdem hat Franziskus auch dieses Jahr nicht darauf verzichtet. Wer ihn gesehen hat, bei der Fußwaschung an Behinderten dieses Mal, hatte nicht eben den Eindruck, es sei dem 77-Jährigen körperlich leichter gefallen.

 

Franziskus hätte es einfacher haben können. Er hätte den Gottesdienst, wie es vor ihm üblich war, im Petersdom feiern und die liturgisch vorgeschriebenen zwölf „Bedürftigen“ in rückenfreundlicher Höhe anordnen   können. Rituell korrekt wäre das gewesen. Aber dieser Papst will keine fromme Symbolik, die der Form genügt, sich orgelmusikalisch überzuckern lässt und ansonsten nichts kostet. Franziskus will Beispiel geben und Beispiel sein – dafür, dass Dienst an anderen Menschen auch dann zum Auftrag des Christentums gehört, wenn er einem selber wehtut.

Die Netzwerke sind nur scheinbar sozial

Ein solches Niederknien vor anderen unterscheidet sich fundamental von jener menschlichen Haltung, die zeitgemäß zu sein scheint. Wer auf Facebook, Twitter   & Co. ein Profil unterhält, versucht sich allzu oft herauszuheben mit seinen Stärken, seinem Können, mit seinem Aussehen, seinem Witz, mit den tollen Reisen, die er macht, oder mit dem, was er gerade in diesem Moment gekauft hat. Und wer Fotos oder Musik in den nur scheinbar „sozialen“ Netzwerken „teilt“, der kann das leicht tun: es kostet ihn nichts. „Teilen“ heißt in diesem Falle ja lediglich „multiplizieren“, nicht aber, etwas abzugeben und sich selbst – der Freude anderer wegen – mit weniger zu bescheiden.

Mit dem Niederknien des Papstes beginnen die Osterfeierlichkeiten in der katholischen Kirche, bei denen es um nichts weniger als um die Erlösung des Menschen geht, um die Befreiung aus jenen schuldhaft oder durch Nachlässigkeit geschaffenen Verstrickungen – Sünde genannt –, die einem selbst und der menschlichen Gemeinschaft das Leben schwer machen. Es geht letztlich um die Überwindung des Todes in seinen vielfachen Schattierungen und sogar in seiner anscheinend endgültigen Form.

Das Grunddrama der Menschheit

Seit je fällt es unter die schwersten Kapitel der Theologie zu erklären, was diese Erlösung bewirkt haben soll. Ein Jesus Christus, der Sohn Gottes, habe die Sünde der Welt durch seinen Tod „gesühnt“, heißt es im Neuen Testament. Aber wem hätte ein Gottvater, der sonst als der Allmächtige verkündet wird, eine Art von Sühnegeld bezahlen müssen? Macht eine solche Vorstellung ihn nicht selbst abhängig von Tod oder Teufel? Hätte er nicht, wenn er schon dem von ihm erschaffenen Menschen die freie Wahl zwischen Gut und Böse ermöglicht hatte, diese Unheilsgeschichte mit einer simplen, unblutigen Entscheidung wieder einfangen können?

Er hat einen anderen Weg gewählt; er wollte ein Beispiel geben. Das Beispiel eines Gottes, der sich „wie ein Sklave und den Menschen gleich“ – so   heißt es in der Bibel – unter die Menschen begibt, ihnen dienend sich zu Boden neigt, ihrem Schicksal „gehorsam wird bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“. Es ist in dieser Linie aber nicht das Sichherausstellen, sondern es ist das helfend-solidarische Niederknien, das den Menschen erhöht. Diese Geste steht am Anfang aller Erlösung; ohne sie ist keine Auferstehungsfeier denkbar.

An Ostern wird das   Grunddrama der Menschheit vergegenwärtigt, Tod und Leben. „Wo stehe da ich?“, hat Papst Franziskus am Palmsonntag in die hunderttausendköpfige Menge gefragt. Es muss einer bei all dem ja nicht mitfeiern. Der entscheidenden Frage indes kann niemand ausweichen: Wo stehe ich?