Angst und Verheißung: am Osterfest trifft alles zusammen. Nach Paris und Brüssel könnte auch Rom, das Zentrum der Christenheit, zum Terrorziel werden.

Es wird eine der Bibelstellen sein, über die Pfarrer aller Konfessionen an diesem Osterfest, nach den Anschlägen von Brüssel, am meisten predigen werden: „In der Welt seid ihr in Bedrängnis, in der Welt habt ihr Angst. Aber seid getrost: Ich habe die Welt besiegt.“ Der Evangelist Johannes legt diese Worte Jesus in den Mund. Aber nicht einem auferstandenen, der täte sich ja leicht mit seinem Siegesruf. Nein, bei Johannes spricht ein Jesus, der das Kreuz noch vor sich hat und der weiß, zitternd und Blut schwitzend, dass nicht einmal er als Gottes Sohn dem gewaltsamen Tod entrinnen kann.

 

Wenn die Kirche das Fest eines Märtyrers feiert, dann singt sie, dieser habe „sein Leben freudig hingegeben“. Doch das ist eine unmenschliche Verklärung der Dinge. Vom salvadorianischen Erzbischof Oscar Romero, den die Todesschwadronen des Militärregimes jagten, weiß man, dass er von nackter Angst erfüllt war – trotz eines prinzipiell derart starken Gottvertrauens, dass er demnächst zum Heiligen erklärt wird. Jetzt, nach Paris, nach Brüssel, greift Terror- und Todesangst auch in Rom um sich, obwohl im Papst dort einer der stärksten, glaubwürdigsten Vertreter der christlichen „Frohbotschaft“ lebt – oder vielmehr: genau deswegen. Gerade als ein Zentrum der Christenheit könnte Rom zum Terrorziel werden; entsprechende Propaganda verbreitet sich über die Webseiten des sogenannten Islamischen Staates seit Langem. „Ich habe die Welt besiegt“, sagt Jesus. Wir haben das zweitausend Jahre danach noch nicht.

Die Christen im Mittleren Osten haben die islamischen Heere herbeigesehnt

Noch fataler ist die Lage im Mittleren Osten, wo IS-Milizen die Christen systematisch verfolgen und ausrotten. Nicht, weil man diese auch nur entfernt als Stoßtruppen „des Westens“ darstellen könnte – es sind vielmehr Christen der ersten Stunde, sie gehören länger in die Völker- und Religionsvielfalt dort als der Islam. Nein, sie sind dem Tod nur deshalb geweiht, weil sie dem anhängen, der gesagt hat, er habe die Welt besiegt.

Dazu kommt ein historisches Paradox: Während des siebten Jahrhunderts haben ausgerechnet die Christen im Mittleren Osten die islamischen Heere – der Araber damals – herbeigesehnt und gefeiert als Befreier von einem Joch, das andere Christen ihnen mit Gewalt auferlegt hatten: der Kaiser in Byzanz, der von dem Christus, den doch alle gemeinsam anbeteten, ein ganz bestimmtes Dogma zum Reichsgesetz erhoben hatte und es gegen Andersdenkende mit der tödlichen Macht seiner Truppen durchsetzte. In den „Jesus-Kriegen“ zogen christliche Milizen marodierend gegen ihresgleichen über dasselbe Land, über das der IS heute zieht; auch sie taten es im Namen eines „orthodoxen“, also „rechtgläubigen“, allerdings christlichen Staates.

Die Angst ist da. Sie verschont keinen

Die Geschichte wiederhole sich nicht, sagte Mark Twain: „Sie reimt sich.“ Sie macht sich ihren bitteren Reim auf das, was Menschen aus eigener Kraft auch in Jahrtausenden nicht hinkriegen: die Einsicht, dass mit dem Abschlachten anderer keine Welt besiegt, sondern in Trümmer gelegt wird. Vielleicht stehen wir tatsächlich in einer globalisierten Version dessen, was die innerchristlichen, europäischen Konfessionskriege des 16. und 17. Jahrhunderts waren. Dessen längster hat dreißig Jahre gedauert; auch in ihm waren Glaube, Rechthaberei und Machtpolitik heillos ineinander verstrickt, und er endete 1648 nicht aus Einsicht, sondern aus Erschöpfung aller Beteiligten.

Die Angst ist da. Sie verschont keinen. Das Osterfest bekräftigt aber auch – Jahr für Jahr, weil das in den menschlichen Unheilszuständen nötig ist – die Botschaft, dass ganz am Ende nicht der Tod steht. Jesus ist umgebracht worden, aber er ist auferstanden, sagt die Bibel, „als Erster der Entschlafenen“. Das heißt: die anderen, wir anderen, folgen. Dem, der glauben kann, gilt wenigstens diese Verheißung.