Ein Konzept für die Solarindustrie fehlt weiter. Dies wird am Fall Solarworld deutlich, meint StZ-Autor Wolfgang Koch.

Stuttgart - Die europäische Solarindustrie steht mit dem Rücken zur Wand und kämpft gegen übermächtige Konkurrenz aus China. Bosch und Siemens haben sich deshalb schon aus der Produktion von Solaranlagen zur Stromerzeugung zurückgezogen. Einige Hersteller mussten Insolvenz anmelden. Das Bonner Unternehmen Solarworld will zwar weitermachen, verlangt aber Opfer von seinen Kapitalgebern. Die Aktionäre wollten aber von Unternehmensgründer Frank Asbeck vor allem wissen, wie es weitergeht mit dem Unternehmen und der Solarindustrie in Deutschland. Überzeugende Antworten bekamen sie nicht.

 

Die Branche trudelt ohne Rettungsplan dem wirtschaftlichen Abgrund entgegen. Dabei stellt sie ein Produkt her, das die Menschheit braucht, um langfristig überleben zu können. Sie produziert Anlagen, um Energie aus der praktisch unerschöpflichen Sonnenkraft abzuzweigen. Für eine erfolgreiche Wende hin zu erneuerbaren Energien kann man auf Solaranlagen nicht verzichten. Augenblicklich sind aber Produktion und Verteilung dieser Anlagen falsch organisiert. Weltweit gibt es große Überkapazitäten, die zu einem starken Preisverfall geführt haben und die Unternehmen unter hohen Kostendruck setzen.

Aus Millionengewinnen wurde bei Solarworld Verlust

Allein bei Solarworld hat sich der Umsatz dadurch innerhalb von zwei Jahren halbiert, und aus einem zweistelligen Millionengewinn ist ein Verlust geworden, der inzwischen mehrere Hundert Millionen Euro im Jahr beträgt. Mit Verbesserungen bei Einkauf, Produktion, Transport und Vertrieb ist das kaum aufzufangen, ebenso wenig mit Entlassungen. Solarworld drängte deshalb zusätzlich seine Kreditgeber und Aktionäre zum Verzicht auf Forderungen und Anteile, in der Hoffnung, dass diese notgedrungen zustimmen, weil sie die Insolvenz vermeiden wollen.

Gelingt die Sanierung, gewinnt Solarworld Zeit. Produktion und Verkauf könnten noch eine Weile finanziert, verbleibende Schulden auf absehbare Zeit zurückgezahlt werden. Hauptaktionäre des Unternehmens werden künftig die Banken, die Kredite gegeben haben, ein Partnerunternehmen aus Katar und weiterhin der Firmengründer, der zehn Millionen Euro neues Geld einschießen will. Er setzt darauf, dass die Kunden wieder Vertrauen fassen und neue Solaranlagen bestellen. Das wäre aber nur eine Mindestbedingung für den dauerhaften Erfolg.

Solange es Überkapazitäten gibt, bleibt der Preisdruck

Entscheidend wird sein, ob sich Solaranlagen in Deutschland wettbewerbsfähig produzieren lassen. Solange es Überkapazitäten gibt, wird der Preisdruck bleiben. Das führt zu neuen Pleiten, ohne dass überflüssige Produktionsanlagen damit verschwinden. Diese Anlagen können von Investoren zu Spottpreisen aufgekauft werden. Preisdruck entsteht auch durch Billigangebote aus China. Mit der Androhung hoher Strafzölle hat die EU-Kommission große Hersteller zwar zu Mindestpreisen bewegt, aber sie sind für europäische Hersteller noch immer zu niedrig, um konkurrenzfähig anbieten zu können, auch wenn sie mit dem Hinweis auf gute Qualität etwas mehr für ihre Module verlangen können.

Mehrere Wege führen aus dem Dilemma. So könnte die Politik die Sonnenenergie in Deutschland noch stärker fördern und die Einspeisevergütungen für Sonnenstrom anheben. Das erhöht jedoch die Umlagen für alle Stromverbraucher und verzerrt den Wettbewerb weiter. Ferner könnte der Wettbewerb eine Marktbereinigung hervorrufen. Letztlich würde unter den herrschenden Bedingungen dann aber die Produktion in Billiglohnländer verlagert. Schließlich könnten Innovationen bewirken, dass Solaranlagen effektiver und billiger werden. Hier liegt am Ende die größte Chance für europäische Hersteller. Sie müssten dazu aber etwas anderes anbieten als Module, die überall massenhaft produziert werden können.