Europas Finanzminister gehen nun härter gegen die Steuerungerechtigkeit in der EU vor. Doch es ist auch ein Gutteil Heuchelei dabei, kritisiert der StZ-Redakteur Christopher Ziedler. Sie hätten es schon viel früher tun können.

Dublin - Einer Steueroase haben Europas Finanzminister definitiv schon das Wasser abgegraben. Nach Zypern – so viel ist mit dem am Freitag verabschiedeten Spar- und Reformprogramm klar – wird so schnell kein Anleger mehr sein Geld überweisen. Noch vor zweieinhalb Jahren, als Irland Hilfsgelder beantragte, waren die Bedingungen für den aktuellen EU-Ratsvorsitz nicht halb so hart: An den extrem günstigen Konditionen für Unternehmen auf der grünen Insel wurde nicht gerührt. Und so konnte nun in der Steueroase Irland die Schließung der Steueroase Zypern beschlossen werden. Die Debatte der Finanzminister über weitere Schritte im Kampf der EU gegen die Steuerflucht folgt am Samstag.

 

Die Dynamik, die hinter dieser Entwicklung steckt, ist neu. Bisher gab es nur kleine Schritte hin zu mehr Steuergerechtigkeit – trotz der Finanzkrise, in der die Steuerzahler ein ums andere Mal Finanzinstitutionen retten sollten, die mit Nichtsteuerzahlern ihr Geld verdienen. Dabei waren es vor allem die amerikanischen Behörden, die Druck etwa auf die Schweiz und Liechtenstein ausübten. Innerhalb der Europäischen Union dagegen tat sich trotz vieler Gesetzesvorschläge der EU-Kommission erschreckend wenig. Die Wende kam mit dem Fall Zypern, den die Bundesregierung dem Wähler so nicht mehr vermitteln wollte. Die jüngsten Enthüllungen unter dem Titel „Offshore Leaks“ brachten das Fass nun endgültig zum Überlaufen.

Steuer-FBI nach Vorbild der USA

Die nun erfolgte Ankündigung Luxemburgs, von 2015 an das Bankgeheimnis zu lockern, ist ein Durchbruch für die europäische Politik. Jetzt steht nur noch Österreich der Verabschiedung der wichtigen Zinssteuer-Richtlinie und der Aufnahme von Verhandlungen mit Nicht-EU-Staaten über Steuerabkommen im Wege. Es bedarf keiner hellseherischer Fähigkeiten, um vorherzusagen, dass es spätestens nach den österreichischen Wahlen im Herbst Bewegung auf diesem Gebiet geben wird.

Es ist gut, dass versucht wird, das Fenster der Gelegenheit weiter aufzureißen. Die Forderung, eine Art Steuer-FBI nach amerikanischen Vorbild einzuführen, die von Deutschland und vier weiteren EU-Staaten erhoben wird, zielt in diese Richtung. Der „Foreign Account Tax Compliance Act“ aus dem Jahr 2010 zwingt alle in den USA tätigen Finanzinstitute offenzulegen, welche Geschäfte US-Bürger etwa über ihre ausländischen Mutter- oder Tochtergesellschaften abwickeln; Eigentumsverhältnisse entsprechender Stiftungen, in die investiert wird, müssen übermittelt werden. Das hat auch für Europa Modellcharakter.

Deutsche Zurückhaltung

Es darf jedoch bezweifelt werden, ob das Engagement anhält, sollte das Thema wieder aus den Schlagzeilen verschwinden. Wer hat die Bundesregierung denn bisher daran gehindert, mehr auf diesem Gebiet zu versuchen? Finanzminister Wolfgang Schäuble hat sich lange hinter dem Nein aus Luxemburg und Österreich versteckt. Das Steuerabkommen mit der Schweiz war bei Weitem nicht ehrgeizig genug.

Die Zurückhaltung hat Gründe jenseits des Sinns für politische Realitäten. Zwar gibt es in Deutschland kein mit der Schweiz vergleichbares Bankgeheimnis, wohl aber führt etwa das globale Netzwerk Steuergerechtigkeit die Bundesrepublik unter den Top Ten der schädlichsten Finanzplätze, weil auch sie ausländische Anleger lockt. Und bei der Steuervermeidung spielen nicht nur Privatanleger eine Rolle, sondern auch niedrige Unternehmenssteuersätze oder Schlupflöcher für Konzerne. Eine weiße Weste hat Deutschland auf diesem Gebiet nicht, Irland als aktueller Gastgeber der Finanzminister erst recht nicht. Auch die in Dublin in die Ecke gedrängte Österreicherin Maria Fekter hat in gewisser Weise recht, wenn sie beklagt, dass sie am Pranger steht, Großbritannien mit seinen Kanalinseln aber nicht. Die gehören formal nicht zur EU: Dort herrschen für Steuerflüchtlinge weiter paradiesische Zustände.