Die Debatte über Stuttgart 21 in der Region verliert sich im Formelhaften. Wenig Sachlichkeit und viel Politik, kommentiert Thomas Faltin.  

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Sie war gespenstisch, diese Debatte über Stuttgart 21 am Mittwoch in der Regionalversammlung, gespenstisch und deprimierend. Formal ist es darum gegangen, dass der Verband Region Stuttgart (VRS) als Projektpartner von S21 gegenüber dem Land eine Stellungnahme zur Kombilösung von SMA-Chef Werner Stohler und Schlichter Heiner Geißler abgeben sollte. Sie fiel wenig überraschend aus: Die Region lehnt es mit den Stimmen der S-21-Befürworter CDU, SPD, Freien Wählern, FDP und "Republikanern" ab, diese Variante weiter zu verfolgen.

 

Enttäuschend war aber wieder einmal, wie die Diskussion geführt wurde. Wäre man nicht längst im MP3-Zeitalter, müsste man sagen: Es war, als wäre bei allen Fraktionen die Schallplatte hängengeblieben. Natürlich gingen die Redner auf die ihrer Meinung nach bestehenden Vor- und Nachteile des Kombibahnhofs ein - wurden dann aber schnell grundsätzlich. Und so priesen die Befürworter zum hundersten Mal die Segnungen von Stuttgart 21, und zum hundertsten Mal verdammten die Gegner das Großprojekt als Teufelszeug.

Nach all den gescheiterten Lösungs- und Schlichtungsversuchen hätte man doch eine Spur von Nachdenklichkeit erwarten können, vielleicht auch das Bemühen, aufeinander zuzugehen. Stattdessen schienen diese Reden wie vorgestanzt: Vor urerdenklichen Zeiten mögen die Inhalte einmal sachlich durchdacht worden sein, doch seither werden sie nur noch formelhaft wiederholt. So wirkte es zumindest.

Wenig Sachlichkeit, viel Politik

Mark Breitenbücher warf den Befürwortern genau dies vor, dass sie nämlich nach dem Motto agierten: "Augen zu und weiter in die Sackgasse." Allerdings trifft diese Aussage auch auf die Grünen selbst zu. Sie sind ebenfalls nicht bereit, auch nur ein Jota von ihren Positionen abzurücken. So konnte man in der Regionalversammlung eine große Anzahl von Betonköpfen erleben. Solche Gespensterdebatten treiben auch den letzten Zuhörer aus dem Saal.

Wie wenig Sachlichkeit und wie viel Politik in diesen Reden steckte, zeigten die Einlassungen des FDP-Fraktionschefs Jürgen Hofer. Er hob mehrfach hervor, das SMA-Gutachten bestätige, dass der Tiefbahnhof "für den S-Bahnverkehr eine ganze Reihe von Verbesserungen" bringe. Als Begründung nannte Hofer überraschenderweise nicht, zu dieser Erkenntnis nach eingehendem Studium des Gutachtens gekommen zu sein, sondern dass die Grünen ja sonst längst einen Aufschrei vollführt hätten.

Kippen des Sytems nicht ausgeschlossen

Die Wirklichkeit aber ist: Erstens haben die Grünen nicht nur aufgeschrieen, sondern bereits ein Gegengutachten vorgestellt; das scheint Hofer verschlafen zu haben. Zweitens ist im SMA-Gutachten der bemerkenswerte Satz zu lesen: "Die Ergebnisse zeigen, dass sich das S-Bahn-System im Bereich der Stammstrecke in einem kritischen Bereich befindet."

Ein Kippen des Systems schließt SMA explizit nicht aus. Dass bei einem solchen Satz beim Regionalverband, der die S-Bahn verantwortet, alle Alarmglocken schrillen müssten, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Nur: keine Fraktion verlor über diese Passage ein Wort. Und auch die Verwaltung sieht keinen Grund zur Beunruhigung.

Dann muss ja alles in Ordnung sein.