Grün-Rot akzeptiert die Bewertung des Stresstests zu Stuttgart 21. Das kann den Gegnern des Bahnhofprojekts nicht gefallen.  

Stuttgart - Bevor die Opposition weiter Pfeffer in die Wunde streuen kann, treten Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und sein Stellvertreter Nils Schmid (SPD) im Schulterschluss vor die Öffentlichkeit und verkünden: Die Landesregierung ist sich einig - in vier von fünf Punkten. Immerhin.

 

Grün-Rot akzeptiert die Bewertung des Stresstestes für das Bahnprojekt Stuttgart 21. "Das Gutachten ist seriös", sagt Kretschmann sogar. Wenn die vom Gutachter geforderten Nachbesserungen erfolgen, sei die Leistungsfähigkeit des Tiefbahnhofs erwiesen. Dann müssten nur noch die vom Schlichter verlangten Forderungen umgesetzt werden und die Bahn die Kosten transparent und "vollumfänglich" darlegen. Das sind die vier Stellen der Übereinstimmung.

Jetzt nimmt die Regierung die Volksabstimmung ins Visier

Die Einigkeit ist für das Verfahren wichtig, auf das sich die Koalition verständigt hat. Jetzt nimmt die Regierung die Volksabstimmung ins Visier. Nächste Woche wird im Ministerrat der Anhörungsentwurf für das Ausstiegsgesetz beraten. Es soll planmäßig im Landtag abgelehnt werden und den Weg zur Volksabstimmung eröffnen.

Nicht einig sind sich Grüne und SPD in der Einschätzung dessen, was "gute Betriebsqualität" sein soll. Die Sozialdemokraten meinen, die "wirtschaftlich-optimale Betriebsqualität", wie sie die schweizerischen Gutachter attestiert haben, sei gut genug. Denn diese Anforderung werde bei Kosten-Nutzen-Vergleichen gemeinhin an Infrastrukturprojekte angelegt. Und warum solle Stuttgart 21 nach anderen Kriterien bewertet werden? Die Grünen dagegen bestehen auf der "Premium-Qualität", die der Tiefbahnhof den Gutachtern zufolge nicht erreicht. Bei einem Projekt dieses Kostenumfangs und dieser Zukunftsträchtigkeit müsse man das aber verlangen können.

Die einen werden für, die anderen gegen Stuttgart 21 werben

Mit diesen unterschiedlichen Positionen werden SPD und Grüne im Herbst in den Kampf um die Stimmen der Baden-Württemberger gehen, kündigte Kretschmann an. Die einen werden für, die anderen gegen Stuttgart 21 werben.

Das klingt routiniert, ist aber ein ziemlicher Qualitätssprung. Konkret bedeutet das nämlich: die Grünen haben Abstand genommen von der Idee, Stuttgart 21 ließe sich über Kostensteigerungen kippen, die sich aus den Ergebnissen eines hochgetunten Stresstestes ergeben sollten. Zumindest gilt das für die Grünen, die bei den Beratungen im Koalitionsausschuss am Donnerstagabend dabei waren.

Das wird vielen bei den Grünen nicht gefallen, denn die Aussichten, Stuttgart 21 per Volksabstimmung zu begraben, sind sehr gering. Vor allem die Stuttgarter Grünen haben Schwierigkeiten mit dieser Position. Ihr Erfolg bei der Landtagswahl beruhte großteils auf der Erwartung von S-21-Gegnern, mit einem Kreuz auf dem Wahlzettel bei den Grünen das Projekt ausbremsen zu können. Nun ist aber die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass Stuttgart 21 gebaut wird. Auch dass sich das Aktionsbündnis der Projektgegner vom weiteren Verfahren fernhalten will, macht es den Befürwortern leichter. Das Bündnis sollte das überdenken. Seine Argumente wären es wert, in großem Rahmen gehört zu werden.