Ein Brief der Polizei lässt eine Strategieänderung erahnen. Doch nicht nur deswegen ist das Schreiben bemerkenswert, meint StZ-Redakteurin Christine Bilger.  

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Das kürzlich veröffentlichte Schreiben der Polizei ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Zum einen deswegen, weil die Polizeiführung in der Hahnemannstraße sich bisher mit der Kritik an den Projektgegnern zurückgehalten hatte. Polizeipräsident Thomas Züfle setzte darauf, um Verständnis bei den Gegnern des Tiefbahnhofs zu werben, etwa mit den vergrößerten Antikonfliktteams.

 

Über Zwischenfälle wie das Umkehren der Streifenwagen im Park hatte die Polizei nicht berichtet, wohl um die Stimmung nicht anzuheizen. Zum anderen sind die Äußerungen auch deshalb bemerkenswert, weil die Polizei eine Änderung der Einsatzstrategie andeutet. Das lässt ahnen, dass die Einsatzkräfte gegen Demonstranten womöglich härter durchgreifen werden. Dennoch gibt es keinen Grund daran zu zweifeln, dass sie bei der Linie der Deeskalation bleiben wird. Diesen Kurs hat sie in den zurückliegenden Monaten klar vertreten.

Der Ton ist schärfer geworden, nun jedoch auf beiden Seiten. Ein Wort wie „Hassbürger“ sollte die Polizei aus ihrem Wortschatz streichen, wenn sie im gleichen Schreiben den Umgangston mancher Projektgegner kritisiert. Sonst muss sie sich den gleichen Vorwurf gefallen lassen. Andererseits geht es zu weit, der Polizei vorzuhalten, sie würde damit die ganze Protestbewegung kriminalisieren. Die Polizei hat betont, dass sie die Radikalisierung nur bei einem kleinen Teil der Gegner sieht.

Molotowcocktail ist ein Alarmzeichen

Das ist die zentrale Botschaft, die Gegner wie Polizei beherzigen müssen, wenn die Bäume im Schlossgarten fallen sollen: es ist nur ein kleiner Teil einer überwiegend friedlichen Gruppe von Demonstranten, der über die Stränge schlägt. Ein Molotowcocktail ist jedoch ein Alarmzeichen, ebenso wie die Zerstörung der Verkehrskameras im Wagenburgtunnel. Beides belegt, dass die Polizei recht hat mit ihrer Einschätzung: es gibt radikalisierte Demonstranten – das bestätigen und verurteilen auch die Sprecher der Projektgegner.

Bleibt die Frage, ob sich die Polizei mit ihrem Schreiben einen Gefallen getan hat. Wohl kaum. Denn einerseits betont sie, dass es sich nur um wenige handelt, auf die sich die Einschätzung bezieht. Andererseits hat sie viele verärgert, die zwar nicht gemeint waren, aber sich ebenfalls getroffen fühlen. Das wird sich in der Stimmung am Bauzaun niederschlagen.