Die Bahn darf vorerst weiterbauen. Jetzt muss sie zeigen, ob sie kompetent genug ist. Ein Kommentar von StZ-Redakteur Holger Gayer.

Chefredaktion : Holger Gayer (hog)

Stuttgart - Wenn ein Lokführer der Deutschen Bahn aus dem Führerstand seines stehenden Zuges auf ein Signal blickt, das vor ihm steht, kann er dort theoretisch drei Farben sehen. Rot bedeutet, dass er seinen ICE weiterhin halten lassen muss, weil die vor ihm liegende Strecke aus irgendwelchen Gründen nicht frei ist. Grün heißt, dass er mit voller Kraft losfahren darf, weil alle Hindernisse, die sich auf seinem Weg hätten türmen können, abgeräumt sind. Schließlich Gelb. Die Farbe der Sonne gibt es bei den Signalen der Bahn in der Regel nicht alleine; sie scheint nur in Verbindung mit Grün auf. Gemeinsam steht die Kombination Grün-Gelb für Langsamfahrt oder, in zwei einfache Worte übersetzt, für: „Ja, aber“.

 

Exakt dieses Zeichen hat die Bahn am Donnerstag vom Eisenbahn-Bundesamt erhalten . Ja, heißt es in der Verfügung der Aufsichtsbehörde, die Bahn darf die Bäume im Schlossgarten fällen. Aber sie darf nur dann mit den Arbeiten beginnen, wenn sie bestimmte Auflagen einhält. Welche das im Einzelnen sind, wird zwar erst nach genauer Lektüre des Schreibens geklärt werden können. Sicher ist jedoch schon jetzt, dass die Bahn nach einer selbst verschuldeten Serie von Pannen und Pleiten gut beraten ist, wenn sie jedes Komma, das in der Verfügung steht, ernst nimmt – und sich exakt an die Anweisungen hält. Denn ebenso sicher ist, dass die Naturschutzverbände jede Silbe der Fällgenehmigung prüfen – und jede Gelegenheit nutzen, um auf Unstimmigkeiten hinzuweisen, die ihrer Ansicht nach weiterhin bestehen.

Auch wenn manch hartleibiger Tiefbahnhoffreund darin nur die Verlagerung des politischen Widerstands auf die juristische Ebene sieht, so bleibt doch zu konstatieren, dass die „kritische Begleitung“ eines Bauprojekts auch vor einem Gericht stattfinden kann. So sind die Regeln in einem Rechtsstaat. Deswegen ist es nach dem klaren politischen Signal, das die Volksabstimmung für Stuttgart 21 ergeben hat, umso wichtiger, dass die Bahn endlich in fachlicher Hinsicht unangreifbar wird. Das hat sie in der Vergangenheit nicht geschafft, im Gegenteil. Daher muss sie sich auch nicht darüber wundern, dass sie das Stuttgarter Bahnhofsprojekt bis auf Weiteres nur im Modus Langsamfahrt betreiben darf.